EINBLICK: Kollektives Regieführen und Bühnenbild bauen

„PROPS gehen raus“ geht neue Wege in der Produktion eines Theaterstücks. Das spiegelt sich auch in unseren Proben wider: Wie kommen wir vom Text zur Szene? Und wie können 9 Kinder kollektiv Regieführung übernehmen und 4 Kinder in einem kollektiven Prozess Bühne, Kostüme und Requisiten verantworten?

Um die projektbeteiligten Kinder nicht zu ermüden und ihnen Raum zur Erholung zu geben, hatten wir die Proben in den Osterferien aufgeteilt: In der ersten Ferienwoche probte die Regiegruppe erste Szenen, in der zweiten Woche baute die Ausstattungsgruppe Bühne, Requisiten und entwarf Kostüme. Regie und Ausstattung waren also nicht in einem Raum, Ideen entwickelten sich eher parallel als gemeinsam. Als Erwachsene mussten wir die Scharnierfunktion übernehmen und die Ideen der Regiegruppe weitertragen. Dabei war es wichtig, immer zu kommunizieren: Ideen sind nicht in Stein gemeißelt, sondern Vorschläge. Sowohl die Regiegruppe als auch die Ausstattungsgruppe hatte ihre konkreten Ideen zu Szenen, welche erst nach den Ferien in Einklang gebracht werden könnten.

Regie: Von der Improvisation zu konkreten Überlegungen

Auch in szenischen Proben gilt das Grundprinzip der Beteiligung: Kinder empowern und Strukturen öffnen. Wir starteten unsere Szenenarbeit diesmal vor allem mit Improvisationen durch das Ensemble. So konnten erste Szenenideen entstehen und wachsen – die Regie-Kinder konnten auf dieser Grundlage beobachten, diskutieren, verändern. Wir gestalteten den Regieprozess dabei mit konkreten Fragestellungen, die zuerst sehr klar und spezifisch waren und sich später öffneten:  Aus „Wollt ihr diese Bewegung größer?“ wird „Was macht die Figur?“ – und irgendwann „Was erzählen wir hier und warum ist das wichtig?“. Es sind diese konkreten, aber auch übergeordneten dramaturgischen Fragen, welche die Kinder ins Zentrum des künstlerischen Prozesses rücken. Mit jeder Feedbackrunde eigneten sich die Kinder die Regie immer mehr an und es konnte ein direkter Dialog zwischen Ensemble und Regiegruppe entstehen. Wir geben Feedback in Kleingruppen, reflektieren Beobachtungen gemeinsam und feiern es, wenn aus der ersten Improvisation eine gezielte künstlerische Entscheidung wird.

Ausstattung: Wir nehmen uns den Raum

Anschließend an diese szenischen Proben konnte sich die Ausstattungsgruppe an ihre Ideen machen. In der Vorwoche wurde ein Mitschnitt von einem Teildurchlauf aufgenommen, dieser diente als Orientierung. Die Ausstattunsggruppe konnte dadurch die szenischen Ideen besprechen und ihre eigenen Ideen als Angebote umsetzen. Als Leitungsteam war es uns wichtig, Räume zu schaffen, in denen kreative Verantwortung nicht delegiert, sondern ermöglicht und geteilt wird. Die Herausforderung dabei? Zeit. Ein Bühnenbild ist nie „mal eben“ gebaut. Wenn Kinder mitgestalten, braucht es mehr als nur Anleitung: Es braucht echte Aushandlung. Welche Funktion soll ein Objekt auf der Bühne haben? Wie fühlt sich der Raum an, in dem die Szene spielt? Und was erzählt das Bild mit? Dies zeigte sich vor allem in Elementen wie der großen Hollywoodschaukel, die auf der Bühne stehen wird und den vielen Horroraugen, welche zum Einsatz kommen. Auch hier zeigte sich: Kinder eignen sich diesen Prozess an, sie brauchen am Anfang vielleicht noch mehr Unterstützung in der Umsetzung ihrer Ideen, aber agieren mit der Zeit immer selbstständiger und schrauben, kleben, schneiden, zeichnen, lackieren. Wichtige Vereinbarung hierbei: Sicherheit geht vor. Alle Prozesse werden immer mit dem Leitungsteam abgesprochen und ggf. unter Anleitung durchgeführt.

Beteiligung braucht Haltung

Wir als Leitungsteam üben uns in adultismuskritischem Denken: Wer trifft welche Entscheidung? Wer wird gehört? Gelten unsere Standards auch noch, wenn die Zeit knapp wird und Entscheidungen anstehen? Was tun wir, wenn Kinder erschöpft sind oder zeitweilig die Lust verlieren? Zugegeben: Beteiligung braucht viel Zeit und damit Energie. Und bei Kindern, die vom fordernden System Schule in das fordernde System Theater kommen, sind Zeit und Energie knappe Ressourcen. Die Erfahrung hat uns dabei gezeigt, dass es wichtig ist, den Kindern selbstgewählte Pausen zu ermöglichen, damit sie ressourcenorientiert arbeiten können. Wenn die Kinder wirklich das Gefühl haben, mitbestimmen zu können und die Konsequenzen ihrer Beteiligung spüren, so werden sie selbstbestimmt wieder in den Probenprozess einsteigen und sich hochgradig mit den Arbeitsstruktren und dem künstlerischen Produkt identifizieren.


Mehr zum Projekt

Fotos: Ruth Hundsdoerfer (1), Sabine Alex (2,3,8,9), Fabian Schrader (4,5,6,7)