Eingeladen zur Jubiläumsausgabe „20 Jahre Berliner Kindertheaterpreis“ in 2025
Vita

© David Baltzer, bildbuehne.de
Reihaneh Youzbashi Dizaji ist Autorin, Regisseurin, Filmemacherin. Sie wurde im Iran geboren und studierte Schauspiel an der ADK Ulm. Auslöser für ihr erstes Stück „Stuttgart. Teheran. Dialog“, das 2012 zum Heidelberger Stückemarkt und zum Festival SCHÖNE AUSSICHT eingeladen wurde, war eine Reise in ihre Heimat. 2013 nahm sie am Next Generation-Projekt der ASSITEJ International und am First International Theatre Festival For Young Audiences in Neu-Delhi teil. 2013 gewann sie mit „TOR DREI“ den Förderpreis beim Berliner Kindertheaterpreis. 2014 veröffentlichte sie ihren ersten Roman „HundertKöpfeFrau“ in Zusammenarbeit mit Walter Kohl.
2016 wurde sie zur „Masterclass“ zum 10jährigen Jubiläum des Berliner Kindertheaterpreises eingeladen. 2017 war sie zu Gast beim Kinder- und Jugendtheaterfestival in Lahore. 2022 war sie mit „Mein Name ist Merkur“ auf der Shortlist des Deutschen Kindertheaterpreises. Ihr Regiedebüt gab sie im Januar 2015 am Ballhaus Naunynstraße mit ihrem Stück „Tableau“. 2024 war sie in der Jury beim Berliner Stückepreis für junges Publikum am Theater der Parkaue.
Sie hat bis jetzt 16 Kinder-/Jugendstücke geschrieben. Mehr auf der Website
Nach dem Gala-Abend zum Jubiläum am 7. Mai 2025, bei dem die Mini-Dramen vorgestellt werden (Regie: hannsjana), veröffentlichen wir hier im Blog ihren Stücktext „SHOOT THE MOON“.
Ende März 2025 haben wir Gespräche mit den fünf Teilnehmenden der Jubiläumsausgabe geführt, ausgerechnet während der Endproben zu Reihaneh neuer Theaterproduktion „Meine Sprache heißt Wut“ am Ballhaus Prinzenallee – mangels Zeit hat sie uns lieber schriftlich auf unsere Fragen geantwortet hat:
GRIPS: Du hast einen wirklich beeindruckenden und v.a. vielfältigen Lebenslauf – ich bräuchte von dir bitte deine Mithilfe: Welche Stationen sind die für dich wichtigsten?
Für mich ist die wichtigste Station oft die, an der ich mich gerade befinde – schließlich stecke ich mittendrin und wünsche mir, dass sie die Beste wird. Dennoch gab es viele bedeutsame Stationen in meinem Leben, die meinen Karriereweg nachhaltig geprägt haben.
GRIPS: Kannst du mir verraten, wie eine Station deines künstlerischen Schaffens zur anderen kam? Oder anders gefragt: Du hast Schauspiel studiert – wie bist du zum Schreiben für das Theater gekommen? Warum hast du dich dem Kindertheater zugewandt? Und wie war dann der Schritt zur Filmemacherin? Zum Roman? Zum Inszenieren für die Bühne?
Bevor ich mich endgültig entschied, Schauspiel zu studieren, absolvierte ich eine neunmonatige Hospitanz am Nationaltheater Mannheim. Diese Zeit gab mir die Gewissheit, dass ich Schauspiel studieren wollte. Schließlich wurde ich an der ADK Ulm angenommen. Doch bereits damals waren die Prognosen, eine Anstellung im Theater zu finden, äußerst düster für mich – darauf wurde ich ausdrücklich hingewiesen.
Meine erste kleine Filmrolle war die einer Putzfrau. Am Theater erhielt ich meine erste Anstellung als Schauspielerin in der Rolle eines geflüchteten Mädchens, das abgeschoben werden sollte. Es folgte eine herausfordernde Zeit, in der ich über zwei Jahre hinweg an mehr als 40 Theatern vorsprach. Häufig erhielt ich die Rückmeldung, nicht wandelbar genug zu sein. Diese Phase lehrte mich nicht nur, mich selbst besser kennenzulernen, sondern auch, mit der verletzlichen Seite meines Berufes umzugehen. Ich musste erkennen, dass ich auf Dauer den psychischen Belastungen wiederholter Ablehnung nicht gewachsen wäre.
Ähnlich wie bei meiner Hospitanz am Nationaltheater Mannheim ergaben sich diverse Assistenzposition beim Film. Nach eineinhalb Jahren wusste ich schließlich, dass ich meinen Weg als Filmregisseurin fortsetzen möchte. Im Anschluss bereitete ich mich auf die Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen vor. Für die Einreichung entwickelte ich die Idee einer kurzen Dokumentation, die ich im Iran umsetzen wollte. Doch die politischen Umstände waren äußerst prekär, und es gelang mir weder, mit meiner Kamera Zugang zu erhalten, noch, meine Fragen der überwiegend weiblichen Bevölkerung zu stellen.
Stattdessen hielt ich meine Eindrücke während dieser Reise schriftlich fest und kehrte mit 60 Seiten Fließtext zurück. Aus diesen Fragmenten entstand letztlich mein erstes Theaterstück, ‚Stuttgart.Teheran‘. Mein jetziger Verlag zeigte damals großes Interesse, und das Stück wurde schließlich für den Heidelberger Stückemarkt nominiert.
Das Theater für junges Publikum wurde für mich maßgeblich durch meinen ehemaligen Schauspieldozenten Dr. Manfrd Jahnke geprägt, der während meiner Ausbildung sehr an mich als Schauspielerin glaubte. Ich hatte das Glück, umfassende Erfahrungen im Theater für junges Publikum sammeln zu dürfen, und erkannte, wie verantwortungsvoll es ist, junge Menschen durch dieses Medium zu erreichen – so, wie ich selbst einst als Kind vom Theater beeinflusst wurde. Dieser Hintergrund half mir später als Autorin, meine Themen für ein junges Publikum zu formulieren.
Das Theater für junges Publikum liegt mir besonders am Herzen. Zwölf Jahre lang habe ich für diese Sparte geschrieben – allerdings nicht ausschließlich. Ich habe auch Stücke für den Abendspielplan verfasst und war stets von talentierten Schauspielenden umgeben, die großes Interesse daran hatten, in meinen Werken mitzuwirken. So inszenierte ich überwiegend meine eigenen Stücke für die Bühne, allerdings ausschließlich im Abendspielplan.
GRIPS: Du hast ja den Berliner Kindertheaterpreis 2012/13 mitgemacht und dafür einen Förderpreis erhalten: Um was ging es in deinem Stück? Und wurde das Stück in einem anderen Theater uraufgeführt?
Das war tatsächlich meine erste Nominierung, und es war für das Stück „Spinne“, für das ich den Förderpreis erhalten habe. Das Stück wurde jedoch lange Zeit nicht aufgeführt, bis eine ehemalige Dramaturgin, die als Jurorin beim baden-württembergischen Theaterpreis tätig war, sich für das Stück einsetzte. Sie brachte es an das Theater in Konstanz, wo sie die Leitung des Kinder- und Jugendtheaters übernahm. Dort feierte Spinne im Jahr 2016 seine Uraufführung.
GRIPS: Welche Erinnerungen hast du an die Workshops damals? Was hat dir was fürs Schreiben gebracht? Was war dir da am wichtigsten?
Bei all meinen Nominierungen in diesem Format hatte ich stets früh eine klare Vision für das jeweilige Stück. Die Ideen entstanden bereits zu Beginn, weshalb die Workshops für mich in erster Linie dazu dienten, meine Ansätze zu überprüfen. Meine Fragen waren dabei gezielt an Expertinnen gerichtet – sei es an die Kinder und Jugendlichen, oder an Kinder- und Jugendpsycholog*innen sowie Lehrer*innen, und natürlich zuletzt die Schauspielenden, die eingeladen wurden, um uns bei der Fertigstellung der Stücke zu unterstützen. Dieses Fachwissen konnte ich effizient so nutzen.

Die Einladung zum zehnjährigen Jubiläum der Special Edition war eine große Ehre für mich, erneut an einem Wettbewerb teilnehmen zu dürfen. Im Gegensatz zum diesjährigen 25. Jubiläum bot die Special Edition damals die zusätzliche Herausforderung, auch um das Preisgeld zu konkurrieren – das ich jedoch nicht erhalten habe.
Meine Verbindung zum GRIPS Theater ist stark und tief verwurzelt. Ich verdanke diesem Theater einiges, insbesondere was meine Laufbahn als Theaterschaffende betrifft: sei es als Schauspielerin, Theaterpädagogin oder Theaterautorin. Das Grips-Theater hat mich gefördert, und ich fühle mich auch heute noch als Teil dieser Theaterfamilie. Die Möglichkeit, diesmal wieder dabei sein zu dürfen, hat mich sehr gefreut und erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Mein besonderer Dank gilt allen, die sich dafür eingesetzt haben, mich erneut einzuladen.
GRIPS: Wie kann ich mir deinen Schreibprozess vorstellen, wie kommst du zu Ideen, wie entstehen deine Texte?
Das Schreiben selbst hat für mich schon früh eine wichtige Rolle gespielt. In der siebten Klasse erhielt ich für ein Gedicht die Note ‚eins minus‘, mit der Begründung meiner Lehrerin, dass es in der Kunst keine Einsen gebe. Wenig später schrieb ich mein allererstes Theaterstück – ebenfalls in der siebten Klasse – als dialogischen Aufsatz. Auch dafür bekam ich eine ‚eins minus‘, und diese Anerkennung motivierte mich ungemein, weiterzuschreiben.
Als Jugendliche füllte ich unzählige Notizbücher mit meinen wirren Gefühlen. Das Schreiben war für mich ein Weg, die Dinge besser zu verstehen und sie zu verarbeiten. Dieser Prozess erleichtert mich noch heute. Es hat eine befreiende Wirkung, und die Möglichkeit, Gedanken in Worte zu fassen, empfinde ich als kraftvoll.
Als Autorin arbeite ich auf eine andere Weise als beim Berliner Kindertheaterpreis. Ich lasse die Eindrücke auf mich wirken und gebe den Ideen die Zeit, in mir zu reifen. Oft höre ich meine Figuren vor dem Einschlafen miteinander sprechen. Es sind nicht meine Regieanweisungen, die sie durch ihre Situationen führen – vielmehr zeigen sie mir ihre Welt. Dieser Prozess ist für mich der freudigste Teil daran, ihnen zuzusehen und zuzuhören.
Das eigentliche Schreiben beginne ich erst, wenn die Geschichte vollständig in meinem Kopf entstanden ist. Der Schreibprozess selbst fühlt sich dann wie ein Diktat an: Die Worte fließen einfach wie ferngesteuert. Ich überarbeite meine Texte relativ wenig, denn ich habe das Gefühl, dass der Schreibprozess bereits abgeschlossen ist, sobald die Geschichte aufs Papier gebracht wurde. Daher habe ich nie das Gefühl gehabt, ich stecke in einem vulnerablen Prozess.
Meine Schreibphasen sind exzessiv – in diesen Zeiten gibt es für mich weder Tageszeiten noch Wochentage. Ich schreibe, bis ich völlig erschöpft bin, schlafe kurz oder esse etwas und mache dann weiter. In solchen Phasen vermeide ich Kontakte, Telefonate empfinde ich als lästig, und der Alltag wird zur Zumutung. Sobald die Phase abklingt, widme ich mich anderen Dingen.
In meinen Notizbüchern halte ich weiterhin wirre Gedanken fest, die völlig frei von künstlerischem Anspruch sind. Diese privaten Einträge dienen mir allein als Ventil beinah täglich. Ideen entstehen bei mir nie bewusst – sie befallen mich und lassen mich nicht mehr los. Sobald ich mich darauf einlasse, über sie nachzudenken, entwickelt sich etwas daraus: ein Stück, ein Drehbuch, ein Bild oder ein Liedtext.
Manchmal tauchen Figuren auf, die an meine Tür klopfen und etwas erleben wollen. Doch es gibt auch Momente, in denen erst eine unmögliche Situation entsteht, in die die Figur später hineingerät und sich behaupten muss. Eine Idee von außen zu konstruieren, liegt mir nicht – sie wächst immer aus dem Inneren heraus.
Und was rätst du jungen Menschen?
Einem jungen Menschen würde ich immer dazu raten, seine Eindrücke ganz ungefiltert aufzuschreiben. Es geht nicht darum, die Sprache zu polieren oder zu glauben, dass das Geschriebene schlecht sei. Schreiben ist Übung – weitermachen und versuchen Erlebtes und Empfundenes mit den eigenen Worten zu fassen.
Der Berliner Kindertheaterpreis ist ein Wettbewerb von GRIPS und GASAG