Preisträgerin Berliner Kindertheaterpreis 2023
Lara Schützsack, geboren 1981 in Hamburg, studierte Germanistik, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften sowie Amerikanische Literatur und Kultur an der Universität Potsdam. Es folgte ein Drehbuchstudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Lara Schützsack lebt und arbeitet als Autorin in Berlin. Sie erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 2019 den Korbinian–Paul-Maar-Preis und den Zürcher Kinderbuchpreis.
Sie wurde zur Teilnahme am Berliner Kindertheaterpreis 2023 vorgeschlagen von der ehemaligen Preisträgerin Kirsten Reinhardt
Synopsis von „Woche – Woche“ (ab 6 J.)
Nunu, 7 Jahre, Scheidungskind, lebt eine Woche bei seiner Mutter, die andere bei der neuen Familie seines Vaters. Dazu gehören drei Stiefgeschwister und deren Mutter. Die Eingewöhnung in die jeweils neue Umgebung der unterschiedlichen Familien fällt ihr schwer, noch schwerer das immer neue Abschied-Nehmen. Eines Tages trifft Nunu auf dem Spielplatz Yella und findet in ihr eine überraschende Verbündete, die ihr neue Perspektiven auf ihre Situation eröffnet.
Stückauszug zur Lesung anlässlich der Preisverleihung 2023
Figuren
NUNU 7 Jahre, sehr bald 8
MUTTER Nunus Mama
VATER Nunus Papa
MIMI 8 Jahre, Nunus Stief-, nee, Bonus-, naja, irgendwie doch Schwester
MAX 6 Jahre, Nunus Stief-, nee, Bonus-, naja, irgendwie doch Bruder
BABY Nunus Halbschwester. Als Tragetasche vor dem Bauch darstellbar.
STIEFMUTTER neue Frau von Nunus Vater
YELLA sitzt oben auf der Kletterspinne, sieht eigentlich alles
MUTTER Y Yellas Mutter
1. + 12. Szene
Auf dem Spielplatz. Nunu steht mit seiner Mutter auf der Mitte des Spielplatzes. Unter einer großen Kletterspinne. Er hat einen Stoffbeutel in der Hand.
Über ihnen, ganz oben in der Kletterspinne sitzt ein Mädchen. Das Mädchen beobachtet alles.
Quer über den Spielplatz verläuft ein roter Streifen, genau unter der Mitte der Kletterspinne hindurch.
Über dem gesamten Bühnenbild hängt ein großer Kalender mit klappbaren Wochentagen und daneben eine Uhr klingelt jetzt schrill. 16 Uhr. Sonntag.
MUTTER Immer kommt er zu spät.
NUNU Er kommt sicher gleich.
MUTTER Woche – Woche. Sonntag 16:00 Uhr. Das ist die Zeit.
Nunu balanciert auf dem roten Streifen, der „Grenze“.
NUNU Eine Familie. Eine Wohnung. Mama Papa Kind. Alle zusammen. Streit. Viel zu viel Streit. Dann auf einmal zwei Wohnungen. Mama Papa Kind.
Nichts mehr zusammen.
Eine Woche Mama. Eine Woche Papa. Neue Freundin. Bonus-Mama.
Stief-Geschwister. Halbgeschwister. Bonusgeschwister. Woche-Woche.
(wird immer schneller beim Sprechen, verhaspelt sich fast)
Der Vater kommt. Eine Tragetasche mit schlafendem Baby vor dem Bauch.
MUTTER Da bist du ja.
VATER Ja. Da bin ich.
MUTTER Endlich. Jedes Mal das gleiche.
VATER Die paar Minuten
MUTTER Sechzehn Uhr. Das ist die Zeit.
VATER Da ist ein Fleck auf dem T-Shirt. Das kann man doch nicht mehr anziehen.
MUTTER Und ob man das kann. Das kann man ganz ausgezeichnet.
VATER Und die Haare, sind die diese Woche gewaschen worden?
MUTTER Ich sag nichts mehr.
VATER Ich sag gar nichts mehr.
Nunu klettert bis ganz oben auf die Kletterspinne.
NUNU Wow! Von hier oben sieht alles ganz anders aus. Viel kleiner.
YELLA Das ist das Gute daran. – Wie heißt du eigentlich.
NUNU Nunu
YELLA Nanu, Nunu?
NUNU Sehr lustig.
YELLA Nununununu (singt)
NUNU Und wie heißt du?
YELLA Yella. Kneif mich mal. Dann weißt du, dass ich echt bin.
NUNU Warum solltest du nicht echt sein?
YELLA Na weil es so ein großes Wunder ist, dass ich hier oben sitze und dir helfen kann. Wie eine Göttin, Superwoman oder eine gute Fee oder so.
Er kneift sie zögerlich.
YELLA Auuu!
Zack! Sie kneift ihn zurück.
NUNU Auuuuu!!!!
YELLA Na, du hast mich zuerst gekniffen.
NUNU Du hast doch gesagt, dass ich das machen soll. Eine Fee oder eine Göttin stelle ich mir anders vor. Netter und mit weniger Pflastern am Knie und so. Du bist total komisch!
YELLA Ich bin nicht komisch. Deine Eltern da unten sind komisch. Wobei komisch ist es eigentlich nicht, was sie da machen.
NUNU Nein. Komisch ist es gar nicht.
YELLA Streiten die immer so viel?
NUNU Und wenn schon. Was geht dich das an?
YELLA Wusstest du, dass Goldfische ihre Ohren verschließen können, wenn es ihnen zu laut wird? Sie müssen dann gar nichts mehr hören.
NUNU Früher waren sie noch viel lauter. Früher, da haben die noch viel mehr gestritten. Früher, als wir alle noch zuhause gewohnt haben. Eine Wohnung. Mutter, Vater, Kind. Da haben sie den ganzen Tag gestritten. Da wollte ich meine Ohren verstecken. Da wollte ich ganz verschwinden. Unter dem Teppich. In der Wand. Im Boden. Irgendwo.
YELLA Die sehen dich eh nicht.
NUNU Natürlich sehen die mich.
YELLA Denk, was du willst. Ich glaube, die sehen nur sich. Bist du gar nicht wütend auf die?
NUNU Nein.
YELLA Und warum nicht?
NUNU Das sind doch meine Eltern!
YELLA Na und!
NUNU Und warum soll ich wütend sein?
YELLA Woche-Woche. Sonntag, 16 Uhr. Nur so als Beispiel.
NUNU Eltern wissen, was gut für einen ist.
YELLA Niemand kann wissen, was wirklich gut für einen ist. Das weiß man nur selber. (laut) Auf Eltern darf man ruhig mal richtig wütend sein! Die halten das locker aus.
NUNU Psst! Wenn man wütend wird, dann kann es sein, dass einen niemand mehr liebhat. Wenn man wütend wird, dann kann es sein, dass man danach ganz alleine ist. Vielleicht für immer.
YELLA So ein Quatsch. Egal, ob ich wütend bin oder nicht, meine Mutter und mein Vater mögen mich immer gleich. Und ich bin oft wütend. Meine Eltern nennen mich deswegen auch Yella-Propella.
NUNU Warum das denn?
YELLA Warum wohl? Weil ich so hochdrehe wie ein richtig krasser Propeller.
NUNU Wann denn?
YELLA Na, immer wenn mir etwas nicht passt! Eltern sind doch soooo beschäftigt. Telefon hier, Arbeit da, Einkaufen, Abwaschen, Staubsaugen. Da muss man schon mal laut werden. Sonst merken die doch gar nichts. Sonst geht es doch die ganze Zeit so:
(Yella spielt jetzt in verteilten Rollen und Stimmen sich selbst und ihre Mutter)
Mama?
Gleich meine Süße. Gib mir drei Minuten. Bin gerade mit Peter am Telefon.
Mama?!
Noch fünf Minuten, Yelli! Bin gleich bei dir. Muss nur noch schnell den
Geschirrspüler ausräumen.
Mama?!!
Mir fällt ein, ich muss noch schnell eine Überweisung machen und
dann nach Honolulu fliegen. Bin gleich daaaaa!
Mamaaaaaa!!!!!!!
NUNU Kenne ich.
YELLA Eltern sind manchmal echt anstrengend. Sie sind superschwer zu erziehen. Nix was man ihnen beigebracht hat, funktioniert auf Anhieb. Immer muss man sie neu erziehen. Und deswegen werde ich manchmal richtig wütend.
NUNU Wenn ich nach einer Woche nach Hause komme zu meinem Papa oder meiner Mama, dann verstehe ich manchmal gar nichts. Dann ist es, als ob die eine andere Sprache sprechen. Dann reden die so:
(Nunu spielt jetzt in verteilten Rollen und Stimmen Mutter, Vater und Stiefmutter)
Krökeö Peng Knökel Krakel
Pububi Bububi
Schschschrrr
Plölplölplö
BrimmsBimms
Pnong?
YELLA Ramms Ramms Rammmss!
Plöpi Pöpi?
Pipischnipi
NUNU Prupsplupspups
Die beiden lachen. Dann wird Nunu schlagartig ernst.
NUNU Das ist, weil ich so lange nicht da war. Zu Mama oder zu Papa zu kommen ist dann jedes Mal, als ob ich ganz neu dort bin. Und eigentlich ist es gar nicht lustig.
YELLA Nein. Das kenne ich. Irgendwo neu zu sein kann ganz schön doof sein. Ich bin schon so oft umgezogen, dass ich in allen Sprachen und Dialekten Tschüss sagen kann.
NUNU In allen?!
YELLA Ja. In allen. In Millionenbillionen.
NUNU So viele Sprachen gibt es doch gar nicht.
YELLA Gibt es.
Möchten Sie den ganzen Stücktext lesen? Dann bitte eine Mail an dramaturgie@grips-theater.de, wir leiten Ihre Anfrage an die Autorin weiter.
Zum Nachlesen: Die Laudatio für Lara Schützsack von Nicole Kellerhals, siehe https://grips.online/laudationes-berliner-kindertheaterpreis-2023
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Der Berliner Kindertheaterpreis ist ein von GRIPS und GASAG gemeinsam seit 2005 ausgeschriebener und entwickelter Wettbewerb für Autorinnen und Autoren für das zeitgenössische Kindertheater.
Weitere Nominierte: Stückauszug „Woche – Woche“ von Lara Schützsack
[…] Lara Schützsack mit „Woche – Woche“ […]
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