Stückauszug „Voll normal“ von Julia Blesken

Julia Blesken, 1976 in Berlin (West) geboren, wuchs im Elternhaus und bei der Großmutter auf. Nach dem Abitur studierte sie an der Freien Universität in Berlin Geschichte. Bei Jung und Jung erschien ihr Debütroman »Ein Rudel Wölfe«. Für ihr erstes Kinderbuch, »Mission Kolomoro oder: Opa in der Plastiktüte«, das 2021 im Oetinger Verlag publiziert wurde, erhielt sie den Kirsten-Boie-Preis der Hamburger Literaturstiftung. Julia Blesken lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Berlin.
Vorgeschlagen zur Teilnahme am „Berliner Kindertheaterpreis“ vom Verlag Friedrich Oetinger

Synopsis von „Voll normal“ (ab 6 J.)

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Adam, Isabel und Yasin. Alle drei sind acht Jahre alt, leben in derselben Nachbarschaft und gehen in dieselbe Klasse. Adam kann sich keine Geburtstagsparty leisten, Isabel wird von ihren Eltern per App überwacht und Yasin lässt sich auch gerne Jasmin nennen. Wie die Kinder mit Hilfe eines kauzigen Fremden und jeder Menge eingesammelter Flaschen am Ende doch noch ein Geburtstagsfest auf die Beine stellen und dabei Freunde werden, darum geht es in »Voll normal«.

Stückauszug aus der Lesung anlässlich der Preisverleihung 2023

Figuren

YASIN                     8 Jahre
ADAM                     8 Jahre
ISABEL                   8 Jahre
MOHAMMED    8 Jahre
VATER (von Yasin) / MANNI / MANN 1 / MÄDCHEN 1
MUTTER (von Adam) / LEHRERIN / MANN 2 / MÄDCHEN 2

10. Szene

Baugerüst, Bank, Mülltonne

Yasin und Adam kommen mit dem Einkaufswagen zurück auf die Bühne gerast, im Wagen sind jetzt acht Plastikflaschen und vier Glasflaschen. Yasin sitzt im Wagen, Adam fährt.

ADAM                        Neet, neet. Platz da!

Bremsen scharf vor der Mülltonne, lachen. Yasin klettert aus dem Wagen. 

ADAM                        Acht Plastikflaschen sind zwei Euro und vier Glasflaschen sind 60 Cent, macht zusammen zwei Euro sechzig. Das reicht immer noch nicht!

YASIN                        Ich hab leider auch kein Geld, ich krieg nämlich gar kein Taschengeld, aber ich könnte meinen Baba fragen.

ADAM (schüttelt den Kopf) Nee, auf keinen Fall! Das wäre meiner Mutter bestimmt unangenehm.

YASIN                    Ich muss ihm ja nicht sagen, wofür ich das Geld brauche, ich sag, es ist ein Notfall. Dann gibt er mir das. Bestimmt.

ADAM                     Nee, nee, echt nicht. Meine Mama sagt, wir machen keine Schulden. Ich hab´s, ich werd morgen einfach krank. Ich bleib im Bett und geh nicht hin!

YASIN                    Dann fragen sie dich halt, wenn du wieder da bist. Ich sag nur Isabel!

ADAM                    Stimmt, die blöde Kuh vergisst nichts, wenn es um Süßigkeiten geht.

YASIN                      Die Mülltonne!

ADAM                     Super Idee!

Yasin guckt in die Mülltonne. Der Deckel knarrt.

Isabel nimmt die Hände von den Augen, springt auf.

ADAM                    Oh, nein! Guck mal, wer da ist! 

ISABEL                  Wie gut, dass ihr kommt, mir ist gerade was ganz Schlimmes passiert!

ADAM                    Lass mich raten, du hast Pizza Fromdingsda bestellt, dabei wolltest du lieber Hawaii.

ISABEL  (schüttelt den Kopf) Viel schlimmer!

YASIN                Du hast sieben Schritte nach links gemacht, dabei solltest du direkt nach Hause gehen und dein Vater hat das auf seiner Uhr gesehen?

ISABEL               Viel, viel schlimmer! (schluchzt)

YASIN                  So schlimm wird´s schon nicht sein!

ISABEL                Doch, so schlimm ist das. Meine Smartwatch ist in die Mülltonne gefallen.

Adam und Yasin kichern.

ISABEL                  Ich krieg jetzt bestimmt richtig Ärger! (Sieht die beiden an.) Ihr müsst die da sofort wieder rausholen. 

YASIN                     Wieso sollte ich?

ISABEL                  …weil du nett bist. Und mutig. (Pause) Und dich cool anziehst. (Pause) Ich hab mich so gefreut, dass, na ja, dass ich auch endlich mal eine Freundin habe! Ich hab mir das so schön vorgestellt, wir treffen uns und spielen zusammen Barbie und essen Süßigkeiten und ziehen uns toll an!

YASIN                     Ja und?

ISABEL                  Und? Jetzt bist du ja leider ein Junge!

YASIN                     Na und? Also, weiß noch nicht. Vielleicht.

ISABEL                  Mit einem Jungen geht das eben nicht.

YASIN                     Warum nicht?

ISABEL                  Jungen haben von Mode überhaupt keine Ahnung und die spielen auch nicht Barbie.

YASIN                     Ich schon!

Pause

ISABEL                  Also, egal, was du bist, kannst du jetzt vielleicht bitte in die Mülltonne steigen und mir die Uhr wieder holen?

YASIN                     Jetzt ist es plötzlich egal.

ISABEL                  Ja, völlig egal!

YASIN                     Okay! Ich wollte sowieso gerade in die Mülltonne steigen, weil wir da vielleicht eine Flasche finden. Und bei der Gelegenheit, kann ich mich ja vielleicht mal nach deiner Uhr umsehen.

ADAM                     Glück gehabt!

ISABEL                  Danke, danke, danke!

Adam macht Räuberleiter, Yasin klettert in die Mülltonne und schaltet die Taschenlampe an.

ISABEL                  Und warum sammelt ihr Flaschen?

ADAM                     Musst du nicht wissen!

Yasin bückt sich. Taucht auf, die Uhr in der Hand. 

ISABEL                  Meine Smartwatch!

YASIN                     Ist leider kaputt! Die lag in einer Milchpfütze. Ist stehen geblieben. Wenn deine Eltern dich suchen, also den kleinen Punkt…

ADAM                     … dann suchen sie dich jetzt in der Mülltonne.

ISABEL                  Oh, mein Gott! Heißt das, das meine Eltern jetzt gar nicht wissen, wo ich bin?

YASIN                     Nee! Die ist ja stehen geblieben!

ISABEL                  Au weia!

Mohammed im Fußballtrikot, ruft schon von weitem:

MOHAMMED    Ey, was macht ihr? Kramt ihr im Müll oder was?

YASIN                     Ja! Wir haben schon was richtig Tolles gefunden! (Hält Mohammed die Smartwatch entgegen.)

MOHAMMED    Tschüsch! Ey, ich komm auch rein! Mach mal Platz!

YASIN                                       War nur Spaß. (Reicht Isabel die Uhr.) Ist ihre.

MOHAMMED    (lacht) War ja klar! (Pause) Aber, mal echt jetzt, was macht ihr im Müll?

ADAM                     Wir sammeln Geld!

MOHAMMED    Wie jetzt?

ADAM                     Na, wir suchen Flaschen und bringen die weg und verdienen so Geld!

MOHAMMED    Gute Idee. Gefällt mir. Kann ich mitmachen?

YASIN                     Aber heute sammeln wir nur für Adams Geburtstag. Wegen der Süßigkeiten in der Schule. Sein Taschengeld ist alle und er will die selber bezahlen.

MOHAMMED    Richtig so!

ADAM                     Meine Mutter ist grad bisschen knapp, also diesen Monat.

MOHAMMED    Ey, wer nicht. Meine Mutter kauft nur noch Sonderangebote. (Lacht.) Sie ist immer auf der Jagd nach Schnäppchen. Also, wie viele Flaschen brauchen wir?

ADAM                     Wir haben zwei Euro sechzig und wir dachten so an sieben Euro, fehlen also noch 17 Flaschen.

MOHAMMED    Und dann gibt´s morgen Bueno!

ISABEL                  Nee, lieber Schokoküsse, am besten für jeden zwei.

MOHAMMED    Na, dann musst du dich aber bisschen anstrengen mit Sammeln.

ISABEL                  Wie jetzt? Ich mach doch gar nicht mit! Ich hab doch gar nichts damit zu tun.

MOHAMMED    Doch, du willst Süßigkeiten!

YASIN                     Und du willst Freunde!

MOHAMMED    (überlegt) Da hinten, auf dem Sportplatz, da ist heute ein Fußballspiel, da gibt es bestimmt viele!

YASIN                     Super Idee! Nichts wie hin!

Yasin und Adam klettern in den Wagen. Mohammed schiebt. Isabel zögert.

ISABEL                  Na gut! Meine Eltern denken sowieso, ich bin beim Ballett! Und die können ja zum Glück gar nicht sehen, wo ich wirklich gerade bin! 

Möchten Sie den ganzen Stücktext lesen? Dann schicken Sie uns einfach eine Mail an dramaturgie@grips-theater.de, wir leiten Ihre Anfrage dann an die Autorin weiter.

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Der Berliner Kindertheaterpreis ist ein von GRIPS und GASAG gemeinsam seit 2005 ausgeschriebener und entwickelter Wettbewerb für Autorinnen und Autoren für das zeitgenössische Kindertheater.

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