Vampire, Späti-Diebe und streitende Eltern

Ein Bericht vom zweiten Kindertheaterpreis-Workshop

von Benjamin Madsen, Volontär Kommunikation der GASAG-Gruppe

Seit 17 Jahren arbeitet die GASAG mit dem GRIPS Theater zusammen, um zeitgenössisches Kindertheater zu fördern – so auch im Rahmen des Berliner Kindertheaterpreises. Am 29. September trafen sich die fünf Nominierten des Preises mit dem GRIPS-Team, um über die Stückentwürfe ins Gespräch zu kommen. Ich durfte als Volontär von der GASAG mit dabei sein und die besondere Kultur im GRIPS erleben.

Der Austausch im Kreis

„Das ist ein bisschen wie Ostern,“ erzählt mir eine Autorin über den Moment, an dem sie die Stückentwürfe der anderen Nominierten lesen konnte. Heute sind sie alle zum GRIPS Podewil gekommen, und als mir bei der Ankunft Reihen von Kindern entgegenkommen, die eben das Stück „Das Leben ist ein Wunschkonzert“ von Esther Becker gesehen haben, weiß ich, dass sie am richtigen Ort sind. Gefördert von der GASAG bekommen die Nominierten die Chance, von den GRIPS-Erfahrungen zu profitieren und ihre Szenen mit Kindern und Schauspieler*innen auszuprobieren.

In diesem zweiten Workshop geht es darum, die Texte für das Publikum und die Mitwirkenden zu entwickeln. Jeder hat einen Auszug mitgebracht, der von den anderen gesprochen und dann diskutiert wird. Ich bin beeindruckt von der Lebendigkeit, mit der die Themen von Scheidung bis Misshandlung, Geschlechtsidentität und Autonomie beleuchtet werden, als wären die Nominierten schon lange miteinander befreundet.

Die szenische Lesung bildet den Höhepunkt am Ende des zweiten Workshops. Hier ein Foto von der Gala und Preisverleihung des Berliner Kindertheaterpreises 2019. Amelie Köder, Regine Seidler und Katja Hiller. Foto: David Baltzer / bildbuehne.de

Fesselnd und kindgerecht schreiben

Wie schreibt man ein Theaterstück, sodass Kinder in der 2. oder 3. Klasse aufmerksam bleiben und sich zu der Bühnenhandlung eigene Vorstellungen bilden können? Dafür haben die Nominierten verschiedene Lösungen gefunden – eine erzählt, dass sie die Inspiration nach langen Überlegungen endlich unter der Dusche fand. Manchmal genügt ein Griff aus der Spannungsliteratur oder der Mythologie als Funken. Marie Hüttner lässt in ihrem Stück die Kinder wie in einem Krimi ermitteln, wer denn der Späti-Dieb ist, um herauszufinden, dass die Oma dahintersteckt! So wird auch Altersarmut für Kinder greifbar gemacht. Bei einem anderen Stück stellt sich im Gespräch heraus, dass der rätselhafte Nachbar, den die Kinder für einen Vampir halten, neben seinem reizenden Auftreten auch das Thema Tod vertiefen kann.

Natürlich geht es auch um die Sprache. Als wir im Kreis die Texte vorlesen, werden das Tempo und der Witz in den Dialogen merkbar. Julia Blesken fasst die gewünschte Wirkung als „schnell und leise und laut und langsam“ zusammen. In der Variation und der Überraschung liegt Interesse. Mit ihrer Schreiberfahrung konnten die Nominierten hier der Kreativität freien Lauf lassen: Es wird auf der Bühne spekuliert, geplaudert, fabuliert, gerufen, gelogen, sich geekelt und ungewöhnliche Wörter ausgedacht. Mich hat der Humor wie auch andere im Raum getroffen.

Ehrliche Reaktionen

Im Feedback teilen die GRIPS-Dramaturg*innen und die Nominierten oft die Erlebnisse, die sie beim Lesen oder Hören gehabt haben. Das heißt, dass offene Fragen angesprochen werden, die vielleicht zum Kern des einzelnen Stücks führen können: Wie ist das Verhältnis zwischen den Themen, was ist die Motivation, wie viele Personen benötigt die Geschichte eigentlich? Ich erinnere mich an viele konstruktive Kommentare, z. B. wurde es bei einem Stück schätzend hervorgehoben, dass ein Mädchen auf dem Spielplatz den Zuschauer*innen tatsächlich eine Metaperspektive bietet, indem sie dem Protagonisten dazu hilft, sich von den Konflikten seiner Eltern abzugrenzen. So werden den Nominierten Funktionen im Text klar, die ihnen vorher vielleicht weniger aufgefallen sind.

„Das ist die Luft, davon können wir Wochen leben,“ erklärt mir Ayşe Bosse zum Workshop. Sebastian Klauke ergänzt: „Das GRIPS-Programm bringt mich wirklich weiter. Wenn wir gemeinsam unsere Stoffe besprechen, bekomme ich einen Kontext dafür und eine Klarheit darüber, wo ich gerade mit meiner Schreibarbeit stehe. Ich schätze den Austausch und die Kontakte sehr, weil Schreiben auch einsam sein kann.“

Diesen positiven Eindruck bestätigt auch Lara Schützsack: „Ich finde den Workshop sehr inspirierend. Man erfährt, wie unterschiedlich die Leute schreiben, und es wird sehr offen über die Stückentwürfe geredet.“

Der Kindertheaterpreis wird nächstes Jahr im April im Rahmen des Theaterfestivals AUGENBLICK MAL! verliehen, aber im Workshop geht es darum, jedes Stück gemeinsam einen Schritt voranzubringen. Viel Freude bei der weiteren Bearbeitung!


Zum Weiterlesen empfehlen wir auf unserem GRIPS Blog die Beiträge über die zweite Workshoprunde des Berliner Kindertheaterpreises sowie detaillierter über den damit verbundenen Schulbesuch mit der Theaterpädagogik.