Die Kunst des Inszenierens unter Corona-Bedingungen

Regisseur Robert Neumann zu BELLA, BOSS UND BULLI

Wie auch schon bei der Produktion KAI ZIEHT IN DEN KRIEG UND KOMMT MIT OPA ZURÜCK hat Robert Neumann ebenso bei BELLA, BOSS UND BULLI die Hygienemaßnahmen einhalten müssen, die 2020 galten: 1,5 Meter Abstand zwischen den Schauspielenden und zum Publikum muss eingehalten und Requisiten dürfen nicht weitergegeben werden, Singen ist nicht erlaubt. Welche Herausforderung das künstlerisch für ihn war, was ihn an dem Stück gereizt hat, was er überarbeitet hat und was Theater für Junges Publikum leisten muss, das hat Robert Neumann GRIPS-Dramaturgen Tobias Diekmann erzählt.

GRIPS:     Was hat dich gereizt, die Geschichte von »Bella, Boss und Bulli«, deren Uraufführung 1995 am GRIPS war, heute zu erzählen?

R. Neumann: Für mich ist dieser Text von Volker Ludwig einer seiner zeitlosesten. Zum einen ist die Geschichte der Kinder, die aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gefügen kommen, sich im Verlauf des Stückes annähern und kennenlernen, ihre Geheimnisse entdecken, um am Ende den Wert der Freundschaft zu feiern, heute und auch in zehn Jahren erzählenswert. Zum anderen werden im Text wichtige Themen wie Wohlstandsverwahrlosung, die Auswirkungen von Gentrifizierung und Mobbing verhandelt, die uns vor allem heute noch durchaus beschäftigen sollten.

GRIPS:     Was kann bzw. muss Theater-Arbeit in Zeiten von Corona bewirken? Gab es unter den gegebenen Voraussetzungen Inspirationen bzw. Stolpersteine für deine Arbeit an der Produktion? 

R. Neumann: Es gab und gibt jede Menge Stolpersteine und viele Fragen. Natürlich können wir im Theater mit theatralischen Mitteln arbeiten, um den Abstand zu überwinden. Überhöhungen helfen, formale Lösungen und choreografierte Elemente sind wunderbar, um Spannungen im Raum zu erzeugen. Aber die Momente der Nähe, wenn sich eine Figur in die Arme der anderen wirft, die Mutter die Tochter zum Trost streichelt oder der Übeltäter am Ende in den Schwitzkasten genommen wird, so etwas geht alles nicht und das fehlt. Ich sehe in diesen Arbeiten zu Zeiten der Pandemie eine große Chance, indem wir herausfinden, was Theater noch alles kann. Und das ist jede Menge, auch wenn die Sehnsucht nach Nähe natürlich bestehen bleibt.

GRIPS:     Was ist deiner Meinung nach elementar bei Theater für junges Publikum?

R. Neumann: Die Geschichte steht für mich im Vordergrund. Was erzählen wir? Kann sich unser Publikum damit identifizieren? Dann kommt auch schon die Frage nach dem „wie?“. Auf der Bühne können die verschiedenen Künste wunderbar ineinander übergehen, was Musik, Ausstattung oder Tanz angeht. Ich möchte mit meinem Team für das junge Publikum einen Ort kreieren, an welchem es Situationen erleben kann, die es vielleicht noch nicht gesehen hat, die auch Fragen aufwerfen können. Wichtig ist mir dann, sie mit ihren Fragen und Eindrücken nicht allein zulassen.

GRIPS:     Ist die Sprache der Kinder von vor 25 Jahren auch noch die der heutigen? Oder ist das für ein Theaterstück egal?

R. Neumann: Wir haben unseren Fokus darauf gelegt, den Berliner Slang der damaligen Zeit zu überarbeiten. Da spürt man hin und wieder das „Milljöh“, was der Geschichte heute nicht zuträglich ist. Es gab auch Anpassungen inhaltlicher Art, wie z. B. der Umstand, dass Bella mit ihrer Mutter statt in eine kleinere Wohnung innerhalb der Stadt zu ziehen, sie nun an den Rand der Stadt eine neue Bleibe suchen mussten, was der heutigen Situation stetig steigender Mieten in Berlin geschuldet ist.“

Robert Neumann war der erste Gast in „FRISCHES AUS DER GRIPS-KANTINE“, wer gerne mehr über das Inszenieren unter Corona-Bedingungen und über ihn selbst erfahren möchte, dem sei Podcastfolge #2 empfohlen. Und auch Tobias Diekmann verrät in in der GRIPS-Kantine vieles über seinen Arbeitsalltag und den Beruf des Dramaturgen in Folge #8.

Alle Inszenierungsfotos von ©DAVID Baltzer | Bildbuehne.de