Bis 30.6.22 online: NASSER #7LEBEN

Susanne Lipps dokumentarisches Theaterstück über den LGBTIQ-Aktivisten Nasser El-Ahmad in der DIGITALEN GRIPS-BÜHNE

Der Berliner Nasser El-Ahmad stammt aus einer libanesisch-stämmigen, sehr strengen Familie. Als Kind ist er der Liebling der ganzen Verwandtschaft. Mit zunehmenden Alter wird seine Erziehung strenger, denn als Erstgeborener muss er die Ehre der Familie vertreten: Musik ist haram, Fernsehen und Internet nur eingeschränkt erlaubt. Nasser sucht sich seine Freiräume außerhalb der Familie und gerät darüber immer mehr in Konflikt mit seinem Vater. Mit 15 Jahren entdeckt er in den sozialen Medien eine zweite Welt, sein Doppelleben beginnt: Er taucht ein in die schwule Partyszene Berlins, findet Freunde in der Community und outet sich auf Facebook. Als seine Eltern von seinem Doppelleben erfahren, endet nach 72 Tagen dieser „Sommer der Freiheit“ abrupt.

Die Autorin Susanne Lipp hat auf Grundlage von Nassers Berichten ein zwar dokumentarisches, dennoch bewusst subjektives Theaterstück geschrieben, das packend ist wie ein Thriller, kämpferisch ist bis zuletzt, sich radikal dem tiefen Schmerz stellt und zugleich Raum gibt für eine tiefe Sehnsucht nach Akzeptanz und Versöhnung. Das Stück wurde am 14. März 2017 im GRIPS Theater unter großem Jubel uraufgeführt und hat sich zu einem der Kultstücke im Repertoire entwickelt. Bis Anfang 2020, bevor das GRIPS seinen Spielbetrieb wegen der Corona-Pandemie einstellen musste, haben ca. 12.000 Menschen 89 Vorstellungen im GRIPS Podewil besucht, regelmäßig stellte sich Nasser El-Ahmad nach den Vorstellungen den Fragen des Publikums.

Das Stück ist für Menschen ab 13 | Ausgezeichnet mit dem Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin 2017 | Nominiert für den Amadeu-Antonio-Preis und den IKARUS 2017 |
Regie, Kamera und Schnitt des Mitschnitts: Katharina Tress | Inszenierung: Maria Lilith Umbach | Bühne und Kostüme: Lea Kissing  | Video: Alexander Merbeth  | Musik: Öz Kaveller  | Dramaturgie: Tobias Diekmann | Theaterpädagogik: David Vogel, Ellen Uhrhan | Es spielen: Ludwig Brix (David Brizzi spielte in der Uraufführung „Nasser“), Katja Hiller, Jens Mondalski und die Musikerin Öz Kaveller

Gebrauchsanweisung Digitale GRIPS-Bühne:

Ihr sucht Euch einfach Euren Lieblingstermin auf der Website aus, an dem Ihr den Mitschnitt sehen wollt, klickt „TICKET“ an und wartet auf einen Link, den Ihr per Mail zugeschickt bekommt: „Mitschnitt NASSER #7LEBEN“

Zum Hintergrund und zur Entstehung des Stücks 

Seine Geschichte ging durch die Medien: Der Berliner Nasser El-Ahmad, erstgeborener Sohn einer libanesisch-stämmigen, sehr strengen Familie, musste im Alter von 15 Jahren vor seiner Familie flüchten, die ihm nach dem Leben trachtete, als sie von seiner Homosexualität erfuhr. Nasser selbst entschied sich, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, er zeigte seinen Vater und seine Onkel an und organisierte diverse Demonstrationen gegen Homophobie. Eine ging am Haus seiner  Eltern vorbei. „Homosexualität oder gar die eigene Sexualität ist doch keine Entscheidung“, sagt Nasser El-Ahmad. „Hat man irgendwann mal entschieden, hetero zu sein? Eben nicht. Genauso ist es mit der Homosexualität, ich habe sie mir nicht ausgesucht, sie wurde mir geschenkt.“  Für sein LGBTTIQA*-Engagement erhielt er 2015 den Berliner „Respektpreis“ und wurde im gleichen Jahr zum „Mann des Jahres“ von den Lesern der „Männer“ gewählt.

Philipp Harpain, der Leiter des GRIPS Theaters, hatte von den Jugendlichen des GRIPS-Jugendklubs BANDA AGITA von  Nassers Geschichte erfahren. „Dieser Mut und diese Kraft, für seine Identität einzutreten, mit allen Konsequenzen und allem Schmerz, das hat mich so beeindruckt, dass ich das auf unsere Bühne bringen wollte.“ Angst davor, der Islamophobie Vorschub zu leisten, wenn man eine so drastische Geschichte über eine streng-muslimische Familie auf die Bühne bringt, hatte er nicht: „Im Gegenteil. Denn Nasser steht ebenso für den Islam, er kämpft für seinen muslimischen Glauben und für seine Identität. Außerdem wird in dem Stück ein Grundkonflikt von Jugendlichen und ihren Eltern verhandelt, wenn Eltern ihre Anschauungen, egal welcher Art, rigide auf ihr Kind übertragen, ohne ihm Raum für seine eigene Entwicklung zu geben.“

Mit der Entscheidung, seine Geschichte öffentlich zu machen und auf die Bühne des GRIPS Theaters zu bringen, sieht Nasser El-Ahmad die Chance, Jugendliche seiner Generation direkt zu erreichen und sie durch seine Erfahrungen zu ermutigen, zu sich zu stehen und ihren Weg zu gehen. 

Mehr Beiträge zur Entstehung des Stücks, u.a. ein ausführliches Interview mit Nasser El-Ahmad selbst zu seiner Lebensgeschichte und über das, was ihm die Kraft gibt, seinen Weg zu gehen oder ein Interview mit der Autorin Susanne Lipp zur Entstehung des Stücks.

Alle Fotos von David Baltzer | Bildbuehne.de