„Stecker ziehen“ – Dramaturgin Ute Volknant über ihre Begegnung mit dem Autoren des Stücks: Rinus Silzle

Es ist Oktober 2021 und die Uraufführung von Rinus Silzles Theaterstück „STECKER ZIEHEN“ steht kurz bevor.
Regisseur Jochen Strauch, Schauspieler*innen und Team sind auf der Zielgeraden in die Endproben geradewegs auf die Uraufführung am 28. Oktober 2021 zu.
Während seit etwa sechs Wochen an Rinus Silzles Stück geprobt wird, hat Rinus Arbeit und Vorarbeit für ein Stück und eine Inszenierung am GRIPS Theater schon sehr viel früher begonnen. Ute Volknant, Dramturgin am Haus und von „STECKER ZIEHEN“ beschreibt einen Stück des Weges, den sie den Autoren Rinus Silzle begleitet hat.

Rinus Silzle war gerade mal 25 Jahre alt, als ich ihn 2017 kennenlernte. Er machte gerade seinen Abschluss im Studiengang Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin und nahm Teil am Autor*innenwettbewerb, den wir im GRIPS Theater gemeinsam mit der GASAG alle 2 Jahre ausschreiben, dem Berliner Kindertheaterpreis. Er war nicht nur der jüngste unter den Nominierten des Jahrgangs, sondern auch der einzige Mann.

Bilder Rinus Silzle: copyright: Axel Lambrette

Über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg konnte ich als Dramaturgin gemeinsam mit ihm an seinem Entwurf für das Kinderstück „Geschwister oder Die Suche nach Saga“ arbeiten. Was mich von Anfang an für ihn als Autor einnahm, war seine Beobachtungsgabe. Eine Selbstverständlichkeit für Autor*innen, aber das Besondere war, dass er sich für unsere jungen Zuschauer*innen noch mehr interessierte als für unsere Inszenierungen. Er ging nach Vorstellungen mit ihnen ins Gespräch über das Gesehene und war neugierig auf jeden Besuch im Klassenzimmer. Er schien überzeugt, dass er von den Kindern mehr lernen konnte als von uns Theaterschaffenden. Zudem war er jedem Gespräch mit mir und unserem Team zugänglich, er suchte den Austausch.

Die wunderbare Esther Becker schnappte ihm damals den ersten Preis vor der Nase weg. Und zwar mit ihrem erstklassigen Stück „Das Leben ist ein Wunschkonzert“, das nach langer Corona-Pause jetzt wieder im GRIPS zu sehen ist. Rinus bekam den Förderpreis, aber keine Inszenierung.

Seitdem habe ich nur auf eine Gelegenheit gewartet, ihn für unser Haus als Autor für einen Auftrag vorzuschlagen. Mit dem Thema „Schulstress“ war die Chance für eine erneute Zusammenarbeit gegeben. Er lebt inzwischen in München, hatte aber Interesse und hat zugesagt. Intuitiv hat Rinus für sich persönlich einen Zugang zu diesem Thema gesucht. Er hat ihn gefunden über die Auseinandersetzung mit Bewertungssystemen. Die greifen schon in der Grundschule in Form von Sternchen, Blitzen – der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt – und bald in Form von Noten. Das erzeugt bei vielen Kindern einen enormen Leistungsdruck, Versagensängste, Angst vor Liebesentzug. Wir alle werden täglich bewertet und bewerten andere, nicht nur auf sozialen Netzwerken mit dem digitalen Daumen, auch analog, in Theaterrezensionen oder Autor*innenwettbewerben zum Beispiel. Wir alle müssen lernen, Niederlagen einzustecken. Mit dem Stress umzugehen, aber auch, uns vor zu viel Stress zu schützen und uns dagegen zu wehren, beispielsweise in der Schülervertretung oder im Betriebsrat. Wenn es gut läuft, entsteht daraus etwas Neues. So wie bei Rinus ein Stück mit dem Titel „Stecker ziehen“ entstanden ist.

Ein Beitrag von Ute Volknant, Dramaturgin am GRIPS und aktuell Dramaturgin von Rinus Silzles STECKER ZIEHEN in der Regie von Jochen Strauch

Wer noch mehr über unseren Autor*innenförderung lesen möchte, kann sich gerne folgenden Beitrag anschauen: