Mitbestimmung am GRIPS Theater #2

Über angstfreie Kunsträume, antiautoritäre Strukturen und über das Reflektieren eigener MachtverhältnisseTom Keller im Gespräch, Teil 2

Eine Blog-Reihe von Maryam Rosenboom (FSJ Kultur 2020/21)

Am GRIPS Theater werden zentrale künstlerische Entscheidungen von Vertreter*innen verschiedener Abteilungen am Haus in einem Gremium abgestimmt.
Aber sind Demokratie und Konsensfindung dem Theater und der Kunst denn immer förderlich? Wo sind als Gremiumsmitglied die Grenzen des eigenen Kompetenzbereichs und könnte die Utopie eines hierarchiefreien Kunstraums zur Realität werden?
In dieser Blog-Reihe wird das Thema Mitbestimmung am GRIPS Theater aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

Tom und ich treffen uns auf der Bühne des GRIPS Theaters am Hansaplatz. Hinter ihm das Bühnenbild für „Bella, Boss und Bulli“. Wie ein Theater basisdemokratisch aufgebaut sein kann, wie das Mitbestimmungsmodell im GRIPS Theater funktioniert, und wie es sich seit seiner Gründung weiterentwickelt hat, das erzählte mir Tom im ersten Teil unseres Gesprächs. Nachdem der historische Bogen also gespannt und die Ausgangslage des Mitbestimmungsmodells klar ist, frage ich im zweiten Teil des Gesprächs noch etwas genauer nach.

Ich spreche mit Tom über angstfreie Kunsträume, antiautoritäre Strukturen und über das Reflektieren eigener Machtverhältnisse. Auch interessiert mich, ob wirklich alle Stimmen im Gremium gleichwertig sind, und wie die Kommunikation zwischen Gremiumsmitgliedern und der restlichen Belegschaft am Haus funktioniert.
Außerdem erzählt uns Tom sein Mantra als Betriebsrat, und was er sich für das Gremium und seine Kolleg*innen wünscht.

„Es ist immer die Frage, inwieweit man das beste künstlerische Ergebnis bekommt. Bei Konsensen ist die Gefahr relativ groß, sich auf einen kleineren gemeinsamen Nenner zu einigen. Das finde ich gerade in der Kunst und in der Frage, wie man zu einer gehaltvollen künstlerischen Aussage kommt, eine schwierige Angelegenheit.“ 

Meine 10 Fragen an Tom:

1. Sind Demokratie und Konsensfindung dem Theater und der Kunst denn immer förderlich?
2. Die Utopie eines vollständig hierarchiefreien Kunstraums. Wird sie im GRIPS Theater zur Realität? Und könnte sie das denn überhaupt werden?
3. Empfindest du die Strukturen am GRIPS Theater als antiautoritär?
4. Zentrale Künstlerischer Entscheidungen werden von Vertreter*innen verschiedener Abteilungen am Haus getroffen. Stehen sich dann manchmal Kompetenz und Demokratie im Weg?
5. Herrscht im GRIPS Theater deiner Meinung nach ein komplett angstfreier Raum?
6. Sind wirklich alle Stimmen im Gremium gleichwertig?
7. Wie funktioniert die Kommunikation von Gremiumsmitgliedern und der restlichen Belegschaft am Haus?
8. Wird im GRIPS Theater darauf geachtet, dass sich die betriebliche und die künstlerische Ebene nicht überschneiden?
9.  „Ein Theater, das seine eigenen Machtverhältnisse reflektiert und demokratische Mitbestimmung erprobt, könnte inhaltlich viel progressiver sein, weil seine Ideen dann von vielen und nicht nur von Einzelnen getragen werden.“ * Wie siehst du das Tom?
10. Was würdest du dir wünschen?

Thomas (Tom) Keller, geboren 1964 in West-Berlin. Studium an der Hochschule der Künste Berlin in den Fächern Saxophon und Komposition. Mit George Kranz und dem No-1-Hit „DinDaaDaa“ tourte er, nachdem er vorher schon in vielen Berliner Clubs auftrat und die erste Langspielplatte mit dem Irischen Pop-Sänger Kiev Connolly (-Ariola-) aufnahm. 1986 kommt er mit der Uraufführung von LINIE 1 als Musiker zum GRIPS Theater, wo er bis zum heutigen Tag beschäftigt ist. Neben Studioarbeiten (u. a. für die Hansa-Studios Berlin, Alphaville, Klaus Schulze, Romy Haag) und Touren als Saxophonist mit Ulla Meinecke, dem Chansonnier Tim Fischer und aktuell mit Axel Prahl, komponierte er ca. 30 Bühnenmusiken, davon viele für das GRIPS Theater.
2014 trat Tom im GRIPS die Stelle „Aufbau der Abteilung Musik“ an, die ab 2018 in die Stelle „Musikdramaturgie“ mündet. Dort baut er für das GRIPS Theater u.a. das Label „grips-records“ auf und betreut rund um das Theater alle musikalischen Aspekte und Bereiche.
Tom wird außerdem 2011 Mitglied im Gremium, und ein Jahr später auch in den Betriebsrat des GRIPS Theaters gewählt.

*«Ist am Theater kein Platz für Demokratie?» Clara Gallistl im Gespräch mit Bérénice Hebenstreit und Felix Hafner.