Interview: Ausstatterin Raissa Kankelfitz zu „Himmel, Erde, Luft und Meer“

GRIPS Theaterpädagoge Fabian Schrader im Gespräch mit Bühnen- und Kostümbildnerin Raissa Kankelfitz über den Prozess von der ersten Idee bis zum fertigen Bühnenbild, Spielfiguren und Umweltschutz in Produktionen

Wie entsteht ein Bühnenbild bei einem Theaterstück – von der ersten Idee bis zum letzten Detail bei der Premiere? Und wer ist da alles beteiligt?
Die erste Idee entsteht oft schon mit dem Lesen des Stücks. Zu Beginn schließen sich in erster Linie Regisseur*in und Bühnenbildner*in kurz und stehen im ständigen Austausch. Später werden Dramaturg*in und weitere Teammitglieder in die Idee eingeweiht, ob Videokünstler*in oder Musiker*in. Jede*r kann zur weiteren Ausformung der Idee beitragen. Am Ende muss jedes Bühnen- oder Kostümbildkonzept von der Theaterleitung abgesegnet werden.
Zur Zeit der Proben können sich Ideen weiterentwickeln, ggfs. sogar abgeändert werden. Hierbei sind auch die Spieler*innen auf der Bühne maßgebend.
Um die Ideen festhalten und prüfen zu können, werden kleine Modelle der Bühnen mit den Bühnenbildern angefertigt, meist im Maßstab 1:25. Bevor ich selber mit dem Modellbau starte, schaue ich mir die Orte, an denen gespielt werden soll, live an. Denn jede Bühne ist anders und gibt mir bereits, als noch leerer Raum, einen Impuls zur Ideenfindung. Manchmal betrete ich mit einer Idee im Hinterkopf eine leere Bühne und verwerfe die erste Idee, nachdem ich den Raum gesehen habe.

Foto: David Baltzer / bildbuehne.de


Wie war da dein Prozess bei „Himmel, Erde, Luft und Meer„? Was oder wer hat dich inspiriert?
Den ersten Impuls gab mir bereits unsere Regisseurin Petra Schönwald. Zu Beginn wird jeder kleine Gedanke ausgesprochen, der am Ende zu einer Idee führen könnte. Dann wird wie wild in jede Richtung recherchiert. Anschließend wird gefiltert. Wir sprachen über die „Fridays for Future“ Bewegung, die Art und Weise wie wir jeden Tag mehr Müll produzieren, Kreisläufe die wir Menschen im Alltag durchlaufen. So kamen wir gedanklich zum „Spiel des Lebens“, einem Brettspiel und überlegten ob und wie sich so ein Prinzip auf die Bühne übertragen lassen könnte. Ich habe mich dann neben der Auseinandersetzung mit der Energieversorgung und aktiven Kraftwerken Deutschlands, viel mit Brett- und Onlinespielen beschäftigt und mir anhand des Stücktextes eine eigene Welt zusammengebaut. Manchmal erkenne ich erst im fertigen Modell wieder, woher ich meine Inspirationen habe. Oft sind es auch Bilder oder Situationen aus einem völlig anderen Kontext, die in den Entwurf einfließen, ganz unabhängig von meiner Recherche. Im Prinzip kann alles bisher gesehene und erlebte eine Inspiration sein.

Besonders die Kostüme der Schauspieler*innen fallen auf – wie bist du auf die Idee gekommen?
Wir haben so oft von „Brettspiel“ und „Spielfiguren“ gesprochen, dass ich irgendwann fragte- wieso machen wir dann aus den Spieler*innen nicht einfach Spielfiguren?


Ist jede*r Bühnenbildner*in auch immer für die Kostüme zuständig?
Nein. In großen Musiktheater- oder Schauspielproduktionen werden diese Posten in der Regel von zwei Personen besetzt, da es sich ja doch um zwei verschiedene Jobs mit nicht gerade wenig Aufwand handelt. In kleineren Produktionen mit einem kleineren Ensemble auf der Bühne werden Bühnen- und Kostümbild oft von nur einer Person entworfen. Dabei bedeuten kleinere Produktionen nicht unbedingt einen geringeren Arbeitsaufwand. Oft müssen sich Bühnen- und Kostümbildner*innen selbstständig um die Beschaffung von Materialien oder sogar die Umsetzung ihrer Entwürfe kümmern.


Was war dir beim Bühnenbild besonders wichtig – vor allem bei einem Publikum ab 9 Jahren?
„Himmel, Erde, Luft und Meer“ war nicht meine erste Kinder- bzw. Jugendtheaterproduktion. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich im Entwurfsprozess so sehr in Alterskategorien denke. Ich suche erstmal für mich nach einer schlüssigen Raumidee und hinterfrage immer wieder, ob der Entwurf ansprechend oder verständlich genug ist. Also eigentlich arbeite ich auch für ein Publikum ab 9 Jahren nicht anders als sonst. Wichtig ist mir, dass das Bühnenbild nicht zu viel vorweg nimmt, sondern auch Freiräume lässt für die Entfaltung der eigenen Phantasie und Änderungen bereit hält, ob durch das Licht , die Requisiten oder die Spieler*innen selbst. Mir ist wichtig, erstmal davon auszugehen, dass man einem jungen Publikum optisch genauso viel zumuten kann, wie einem erwachsenem Publikum. Ich erwarte auch nicht, dass in meiner Arbeit jede Person das gleiche sieht wie ich selbst, sondern freue mich auch über andere Interpretationen.


Was sind deine Lieblingsmomente bei „Himmel, Erde, Luft und Meer“?
Alle musikalischen Momente. Musik hat eine große Kraft, bewegt, holt uns ganz schnell ab und bleibt im Ohr. Wir haben die musikalischen Momente in unserer Produktion bewusst überhöht dargestellt, so dass sie sich in der Spielweise und den Lichtstimmungen von den restlichen Szenen im Stück abheben.


Gibt es Mittel und Wege, Bühnenbilder z.B. zu recyceln und somit auch bei der Produktion aktiv etwas für den Umweltschutz zu tun?
Die gibt es, wenn auch in kleinem Umfang. Die meisten Theater besitzen einen privaten Fundus. Hier lässt sich vor allem auf Möbel, Requisiten und Kostüme zurückgreifen. Eine zentrale Anlaufstelle für wiederverwendbare Materialien in Berlin, bietet zum Beispiel Kunst-Stoffe Berlin. Die Materialien werden in der Regel gespendet und an Betriebe oder Privatpersonen zu einem kleineren, als dem Neupreis, weiterverkauft. Druckereien bieten zum Teil Drucke auf recycelten Materialien an. Da die Kosten hierbei aber höher liegen, kann sich eine Produktion diese Ausgaben leider nicht in jedem Fall leisten. Auch bleibt der große Umfang an Produktionen an den Theatern und die geringen Lagerflächen für Bühnendekorationen eines von vielen weiteren Problemen. Bis Theater wirklich nachhaltig produzieren können, ist es sicher noch ein längerer Prozess. Um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit am Theater weiter zu schärfen, bieten immer mehr Initiativen einen Austausch, Leitfäden und Workshops an.


„Himmel, Erde Luft und Meer“ von Christian Giese nach Texten von Volker Ludwig feiert am 08. September Premiere am GRIPS Hansaplatz. Alle Termine und Karten auf unserer GRIPS Homepage.

Mit: Ludwig Brix, Marcel Herrnsdorf, Lisa Klabunde, Marius Lamprecht, Frederic Phung, Helena Charlotte Sigal und dem Musiker Matthias Bernhold.

Regie: Petra Schönwald
Bühne und Kostüme: Raissa Kankelfitz
Musikalische Leitung: Thomas Keller
Dramatugie: Tobias Diekmann
Theaterpädagogik: Fabian Schrader

Zur Premiere veröffentlichen wir außerdem das „#GRIPSistda KlimaPowerPaket“ für Menschen ab 9 Jahren hier auf unserem GRIPS Blog.