Boxenstopp: Erste IntensivTheaterWerkstatt der Spielzeit als Fortbildung für Pädagog*innen
Während die deutsche Gesellschaft auf den Resten der Berliner Mauer 30 Jahre Wiedervereinigung feiert, scheint das Land so gespalten wie noch nie: Zwischen Ost und West, Oben und Unten, Links und Rechts, Stadt und Land. Nicht zuletzt die Corona-Krise stellt die große Frage: Was ist eigentlich der Kitt, der die Gesellschaft zusammen hält? Wächst wirklich zusammen, was zusammen gehört? Und wie schaffen wir selbst die versprochenen blühenden Landschaften – und zwar für alle?
Mit diesen und anderen Fragestellungen beschäftigte sich die erste IntensivTheaterWerkstatt vom 30.09. bis 02.10. als Lehrer*innenfortbildung in dieser besonderen Spielzeit. Zum Thema „Tag der deutschen Teilung“ nahmen sieben Pädagog*innen und Lehrkräfte an der Fortbildung teil, um gemeinsam alle Schritte einer Stückentwicklung zu durchlaufen. Dieses wurde, unter Hygieneauflagen, auch einem Publikum präsentiert.
Suche nach neuer, gemeinsamer Ästhetik auf Abstand und mit Maske
Und das natürlich unter Bedingungen, die uns kaum noch überraschen und dennoch Theaterarbeit verändern: Abstand halten, Lüften, Maske tragen, regelmäßig Requisiten desinfizieren. Für diese IntensivTheaterWerkstatt wurde ein umfangreiches Hygienekonzept erstellt, um allen Teilnehmer*innen die sichere Teilnahme zu ermöglichen. Gleichzeitig begaben wir uns nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch auf eine Suche: Wie gelingt Theater(pädagogik), die Nähe auf Distanz, die Verdichtung in kleinen Gruppen sucht und dennoch dazu bestärkt, Theater als Bildungsmittel nicht zu meiden, sondern gemeinsam sicher weiterzuentwickeln? Besonderer Fokus lag deshalb auf der Achtsamkeit der Gruppe gegenüber: Ein Gefühl dafür zu bekommen, immer den Abstand zu wahren und dennoch die eigene Botschaft klar herüber zu bringen. Auch Choreografien rückten ins Zentrum der szenischen Arbeiten. Und immer wieder auch: Das pure Ich auf der Bühne, welches starke Monologe und Dialoge präsentiert und darin seine Ästhetik findet.
Gerade deshalb entstand eine spannende Werkschau, die den Bogen spannte zwischen persönlichen Erinnerungen und kollektiven Aushandlungen, früheren und aktuellen Themen und immer wieder kritisch fragte: Ist uns am Feiertag zum Feiern zumute? Wir als Gruppe lernten, dazu unterschiedliche Positionen auszuhalten. Denn der Prozess der Wiedervereinigung ist aufgrund der verschiedenen Erfahrungen und Biografien weder einheitlich noch konfliktfrei. Und doch einte alle die Suche nach der praktischen Solidarität der Gesellschaft und die Forderung, Erinnerungen und Erfahrungen anzuerkennen, um daraus neue politische Impulse zu entwickeln.
Dazu Sabine Jambon, GRIPS-Kontaktlehrerin am Französischen Gymnasium und Fortbildungsteilnehmerin:
Was geht uns dieses Datum heute noch an? Haben wir eigentlich einen Grund zu feiern? Wenn ja, was genau? Was lässt uns heute schaudern, was weckt die traurige Befürchtung, damals wichtige Chancen verpasst zu haben? Was ist wiederum eindeutig Grund zur Freude? Welche Risse gehen heute (noch oder wieder) durch die Gesellschaft? Welche Hoffnungen von damals sind es wert, neu belebt zu werden?
Jede Stimme zählt, jede Frage ist wichtig, gerade auch die leisen, die selten gehörten, die, die lange verstummt waren. Manche von uns haben die Teilung noch bewusst erlebt und hatten damals die tiefe Überzeugung verinnerlicht, dass der Eiserne Vorhang unüberwindbar bleibt. Andere waren erst geboren, als das vermeintlich Unmögliche plötzlich wirklich geworden war. Wir alle aber leben mit dem Riss und den Rissen, die durch unser Land gingen und gehen, auch wenn manche von uns sie vielleicht lange nicht bewusst wahrgenommen haben.
Weitere coronataugliche Fortbildungen der Spielzeit in Planung
Für unser regelmäßiges Fortbildungsprogramm entwickeln wir gerade coronataugliche Formate. Die Sicherheit unserer Teilnehmer*innen und Mitarbeiter*innen steht an erster Stelle. Gleichzeitig möchten wir mit Ihnen und euch in Kontakt und Austausch bleiben und gemeinsam das GRIPS Theater mit Leben füllen.
Alle aktuellen Fortbildungsangebote und Termine sind hier zu finden: unter der Rubrik Theaterpädagogik für Multiplikator*innen