Überflutete Bühnen und eine Raumfahrerin im Kinderzimmer

Einige Einblicke in das Forschungsprojekt GRIPS theatAR – von Marco Aulbach

Eigentlich sollen Handys im Theater ja ausgeschaltet sein, damit sich alle gut auf das konzentrieren können, was auf der Bühne passiert. Am GRIPS läuft seit Anfang dieser Spielzeit aber ein Forschungsprojekt, das herausfinden will, ob sich mit Smartphones und Tablets am Theater nicht auch eine Menge spannender Dinge tun lassen.  

Das Projekt, das durch das Senats-Förderprogramm für digitale Entwicklung im Kulturbereich ermöglicht wurde, widmet sich dabei vor allem Experimenten mit Augmented Reality. Augmented Reality (oder kurz AR) ist eine Technik, die manche vielleicht von Instagram-Filtern oder aus Spielen wie Pokémon Go kennen. Das englische Wort „augmented“ bedeutet „erweitert“, „Augmented Reality“ heißt wörtlich übersetzt also „Erweiterte Realität“ – und genau darum geht es bei AR auch. Mit dieser Technik lassen sich unserer Umgebung nämlich neue Elemente hinzufügen. Dafür muss man die Welt um einen herum einfach durch die Kamera eines Smartphones betrachten. Dank AR erscheinen dort dann Figuren oder Dinge, die in Wirklichkeit gar nicht da sind.

Aber was hat das jetzt mit Theater zu tun? Eine ganze Menge! Zum Beispiel bietet AR bei der Gestaltung von Bühnenbildern ganz neue Möglichkeiten. Gemeinsam mit der Bühnenbildnerin Leonie Wolf haben wir erforscht, wie hybride Bühnenräume aussehen könnten – Bühnenräume also, in denen ein Teil der Dinge physisch vorhanden, manches aber auch nur digital hinzugefügt ist. In einer unserer Versuchsanordnungen gab es beispielsweise eine glatte Wand, auf der, sobald sie durch ein Smartphone betrachtet wurde, ein Fenster erschien, hinter dem ein bewegter Straßenzug zu sehen war. Nicht weit von dem virtuellen Fenster stand außerdem ein leerer Tisch, auf dem jedoch, bei einem Blick durch die Handy-Kamera, plötzlich ein ein Weihnachtsbaum mit unzähligen brennenden Kerzen sichtbar wurde. 

Während sich derartige Dinge theoretisch auch physisch auf die Bühne bringen ließen (wobei es schon bei den Kerzen große Probleme mit dem Brandschutz geben würde), ermöglicht AR auch Szenerien, die ohne Digitaltechnik überhaupt nicht umsetzbar wären. So konnte zum Beispiel die GRIPS-Bühne am Hansaplatz komplett geflutet werden. Durch digital hinzugefügte Wassermassen entstand der Eindruck, als habe sich der Raum binnen Sekunden in ein Schwimmbecken verwandelt. Aber das, was eigentlich einen riesigen Schaden anrichten würde, war nur auf den Bildschirmen von Handys und Tablets zu sehen, sodass die Bühne unbeschädigt blieb und alle im Team trockene Füße behielten.

Doch nicht nur Theaterräume lassen sich durch AR verwandeln. Mithilfe dieser Technologie kann Theater auch an ganz neue Orte gebracht werden. Um auch das ausprobieren zu können, hat uns Rinus Silzle (Autor des GRIPS-Stücks Stecker ziehen) eine kleine Szene über eine außerirdische Raumfahrerin geschrieben, die gerne auf die Erde reisen würde, um Kängurus zu sehen. Leider gibt sie jedoch die falschen Koordinaten ein und landet daher an einem ganz anderen Ort. Gemeinsam mit der GRIPS-Schauspielerin Lisa Klabunde wurde dieser Monolog dann in einem sogenannten Motion Tracking-Setup aufgezeichnet. Das bedeutet, dass an Lisas Körper, während sie die Szene gespielt hat, mehrere Sensoren befestigt waren, die all ihre Bewegungen aufgezeichnet haben. Anschließend wurden diese Bewegungsdaten auf einen digitalen Avatar übertragen, der dann via Augmented Reality an jedem beliebigen Ort platziert werden kann. Das heißt die kleine Szene mit Lisa als Astronautin lässt sich nun überall ansehen – im heimischen Kinder- oder Wohnzimmer ebenso wie auf dem Schulhof oder im Klassenzimmer. Aber egal, wo dieses Mini-Stück betrachtet wird – es sieht stets so aus, als würde das Geschehen hautnah vor den Zuschauer*innen stattfinden. 

Und die eben beschriebenen Experimente sind erst der Anfang. In den nächsten Tagen und Wochen werden bis zum Abschluss des Forschungsprojekts Ende Februar noch eine ganze Reihe weiterer Dinge erprobt werden – unter anderem auch in Auseinandersetzung mit den beiden GRIPS Klassikern Alle außer das Einhorn und Linie 1. Es bleibt also spannend! 

Ausführliche Videos und  Texte zu den Forschungsergebnissen von GRIPS theatAR wird es bald in einer eigenen Dokumentations-App geben, die im März erscheinen wird. In dieser App werden auch einige kleine Anwendungen enthalten sein, die die Mensch direkt selbst zuhause ausprobieren können, um einen kleinen Vorgeschmack zu bekommen, wie sich Augmented Reality-Theater anfühlen könnte. Wer nicht bis März warten möchte, kann uns auch auf dem Insta-Kanal @gripstheat_ar folgen. Dort gibt es regelmäßig spannende Einblicke und Neuigkeiten aus dem Forschungsprojekt!