Wie zwei unterschiedliche Theater voneinander profitieren
2022 trat die Theaterleitung von Thikwa, Nicole Hummel und Laura Besch, an die Leitung des GRIPS Theater, Philipp Harpain, heran mit der Idee: Zusammen spielen und dabei voneinander lernen. Die einen wollen wissen, wie Theater für das junge Publikum entstehen kann, die anderen, wie Prozesse inklusiver gestaltet werden können, um mehr zu einer diversen Theaterlandschaft beizutragen.
Dafür konnte sich auch die Kulturstiftung des Bundes begeistern und hat für „pik – Projekt für inklusive Kunstproduktion“ GRIPS und THIKWA als eines von insgesamt sieben Tandems ausgewählt – doch was erhofft sich Kulturstiftung konkret von der Kombination GRIPS und THIKWA?
„Das inklusive Theater THIKWA und das Kinder- und Jugendtheater GRIPS Theater werden gemeinsam Möglichkeiten und Herausforderungen eines inklusiven Tanz- und Musiktheaters ausloten. Die beiden renommierten Berliner Theaterhäuser wollen zahlreiche gemeinsame Workshops zu Tanz, Improvisation oder Musikentwicklung nutzen, um die jeweils unterschiedlichen Produktionsstrukturen und Bedarfe gegenseitig kennenzulernen. Dieses große Interesse beider Häuser füreinander mündet in der gemeinsamen Entwicklung eines Theaterstücks zum Thema Macht. Die Erfahrungen aus der Kooperation wird das GRIPS Theater auch dafür fruchtbar machen, inklusivere Arbeitsbedingungen und Serviceangebote zu schaffen. So sollen beispielsweise die Mitarbeiterinnen des Kinder- und Jugendtheaters für die Zusammenarbeit mit Künstlern mit Behinderung qualifiziert werden.
Während das THIKWA Theater in seiner über 30-jährigen Geschichte immer wieder in der inklusiven Theaterszene Pionierarbeit bei der Professionalisierung von Menschen mit Behinderung leistete, kann das GRIPS Theater aus seiner beispielgebenden theaterpädagogischen Arbeit mit Kinder und Jugendlichen schöpfen. Vor diesem Hintergrund begreifen beide Institutionen die Zusammenarbeit im Rahmen von pik als Start für weitere vielversprechende und wirkungsvolle Kooperationen.“ (entnommen der Website der Kulturstiftung)
Das Theater THIKWA
Für was das berühmteste Kinder- und Jugendtheater der Welt steht, muss man hier im GRIPS-Blog nicht erklären, aber gerne stellen wir hier unseren Partner vor:
Theater Thikwa begann vor 34 Jahren als künstlerisches und soziales Experiment mit behinderten und nichtbehinderten, d.h. mixed-abled Künstler*innen. Angefangen als Modellprojekt hat sich das Theater und die Werkstatt Thikwa mittlerweile längst als fester Bestandteil der freien Theaterszene und des Berliner Kulturbetriebs etabliert. Für manche immer noch ein Geheimtipp, ist es für andere längst schon ein „Berliner Bühnenwunder“ (Tagesspiegel). Seit 1991 sind zahlreiche Inszenierungen, Ausstellungen, Filme und Performances entstanden – zum Teil preisgekrönt -, die auch auf wichtigen Festivals im In- und Ausland gezeigt wurden. Seit 2006 betreibt Theater Thikwa gemeinsam mit dem English Theatre Berlin (ETB) eine eigene Spielstätte, F40, in den Mühlenhaupt-Höfen in Berlin-Kreuzberg, die für Zuschauende und Künstler*innen zum barrierefreien Theater umgebaut wurde.
Theater Thikwa arbeitet im besonderen Maße mit der persönlichen Eigenart und Erfahrung seiner Ensemble-Mitglieder*innen. Alle Inszenierungen und Workshopformate werden von mixed-abled Performer*innen gemeinsam erarbeitet und auf die Bühne gebracht. Für die einzelnen Produktionen werden jeweils externe Künstler*innen, Regisseur*innen oder Choreograph*innen engagiert. Dabei werden sowohl neue ästhetische Fragestellungen entwickelt, als auch die besonderen Ausdrucksmöglichkeiten des Ensembles untersucht und erweitert.
Mixed-abled anstatt Inklusion
Alle reden von Inklusion, bei Theater Thikwa wird sie gelebt. Die Gründer*innen von Thikwa e.V. wollten die gemeinsame künstlerische Arbeit von Menschen mit Behinderung und nicht behinderten Künstler*innen fördern. Es ging darum, einen ressourcenorientierten Blick auf die Menschen zu werfen: Was sind die Fähigkeiten – und nicht den Fokus auf die Behinderung zu richten. Das Schaffen von Kunst und das Beteiligtensein an Kunst und Theater ist unabhängig von Behinderung. Gerlinde Altenmüller, eine der Mitbegründer*innen formulierte dazu vor 30 Jahren einen Kernsatz: „Der Geist lässt sich nicht behindern.“ Die Mitbegründerin, meinte damit z.B. auch, die Menschen sind nicht be-hindert, sondern werden durch die gesellschaftlichen Umstände ver-hindert, und man muss sich zusammen dieser Verhinderung entledigen. Diese Gedanken sind für THIKWA immer noch relevant, auch wenn sie weiter modifiziert und umformuliert werden. Es gab und gibt viele Inklusions- und Begriffsdebatten. Und wichtige politische und künstlerische Auseinandersetzungen. THIKWA wird gerne als inklusives Theater beschrieben, das Theater führt aber selbst den Begriff nicht im Titel. Inklusion ist dann erreicht, wenn man nicht mehr darüber sprechen muss.
THIKWA beschreibt sich heute als mixed-abled Theater. Dafür gibt es momentan noch keine deutsche Bezeichnung. Dennoch setzt das Team auf den Begriff: mixed-abled im Sinne von unterschiedlich befähigt.“
Inszenierungsfotos von Produktionen der Spielzeit 2023/24 (© David Baltzer | Bildbuehne.de)