#berlinistkultur – Demo geben die Kürzungen in der Kultur: Ein Rückblick

Am 13. November 2024 traf sich die so große wie vielfältige Berliner Kulturszene vor dem Brandenburger Tor zu einer dreistündigen Protestveranstaltung mit Reden und Beiträgen. Kultursenator Joe Chialo kam vorbei, während zeitgleich im Abgeordnetenhaus die Haushaltsverhandlungen liefen. Eine Entwarnung geben konnte er nicht, im Gegenteil werden sich – wegen der prekären Berliner Haushaltslage – die Kürzungen im Kulturbereich nicht verhindern lassen. Er versprach, dass er und seine Verwaltung sehr genau schauen wird, wie und wo und wieviel möglichst verkraftbar für jede Institution gekürzt werden kann.

Was bleibt: Kürzungen im Kulturbereich, der gerade mal 2,4 Prozent des Berliner Gesamthaushalts beträgt, kann die Berliner Kulturszene nicht wegstecken, Insolvenzen und Entlassungen drohen, die Spielpläne und Produktionen müssten stark gekürzt und da, wo es möglich ist, die Eintrittspreise drastisch erhöht werden. Gerade in unserem Kinder- und Jugendbereich wäre das mehr als fatal – warum das so ist, hat Dagmar Domrös vom Theater o.N. stellvertretend für alle Berliner Kinder- und Jugendtheater auf dem Podium erklärt:

„Und auf gar keinen Fall in Krisenzeiten!!“

Rede von Dagmar Domrös (Theater o.N.) zur speziellen Situation der Kinder- und Jugendtheater bei Kürzungen

„Mein Name ist Dagmar Domrös. Ich co-leite das Theater o.N., ich bin auch im Arbeitskreis Berliner der Kinder- und Jugendtheater sowie im LAFT Berlin für die freie Szene engagiert.

Ich stehe hier solidarisch mit der gesamten Kunst- und Kulturszene Berlins – wie wir alle heute. Und eng verknüpft auch mit den Bereichen Bildung und Soziales.
Auskennen tue ich mich am besten in den Performing Arts für junges Publikum, also Tanz und Theater für Kinder und Jugendliche sowie Kulturelle Bildung. Daher hierzu jetzt ein paar Worte:
Große Teile, der in diesem Bereich arbeitenden und engagierten Menschen arbeiten schon jetzt unter sehr prekären und unsicheren Bedingungen. Hier jetzt zu kürzen bedeutet, sehr fragile, teils über Jahre mühsam über ein Patchwork von Projektförderungen aufgebaute Strukturen zu zerstören, das kulturelle (und soziale) Angebot für Kinder- und Jugendliche massiv zu beschneiden und unzählige Kulturschaffende zum Arbeitsamt zu schicken.
Die Schäden und Konsequenzen eines solchen Kaputtsparens stehen in keinem Verhältnis zum vermeintlich Eingesparten.
Kultursenator Joe Chialo hat heute Morgen gesagt, jeder müsse seinen Beitrag leisten. Das überzeugt mich nicht. Es ist doch immer noch eine politische Entscheidung zu sagen, 10% quer durch alle Senatsverwaltungen muss gespart werden. Da könnte man auch klug sein und Kultur, Bildung und Soziales rausnehmen – jene Bereiche, die für ihren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowieso schon leisten.

Gemeinsam haben die Politik und die Kulturszene während der Pandemiejahre eine enorme Kraftanstrengung unternommen, die Theater am Leben zu erhalten. Die Kinder und Jugendlichen hatten damals das Nachsehen. Jetzt, zwei Jahre später, alles kaputt zu machen, ist kurzsichtig und fatal. Die Leidtragenden wären wieder die Kinder- und Jugendlichen. Denn es geht hier nicht darum, dass es vielleicht die ein oder andere Premiere weniger gäbe. Weitere Kürzungen würden z.B. in unserem Haus bedeuten, dass wir anstelle von 100 Vorstellungen noch maximal 35 zeigen können. Viele Künstler*innen müssten wieder deutlich unter den Honoraruntergrenzen arbeiten. Tanz- und theaterpädagogische Projekte, die so wichtig für die Teilhabe sind, würden drastisch zusammenschrumpfen. Das geht nicht. Da ist eine Grenze erreicht. Da wollen wir nicht mehr mitmachen.

Die 0-18jährigen machen fast 20% der Berliner Bevölkerung aus. Sie haben genauso ein Recht auf Kunst und Kultur wie Erwachsene. Nach Auswertung der Pandemiemaßnahmen gab es ein großes überparteiliches Versprechen, dass die Interessen der Kinder und Jugendlichen nicht wieder hinten runterfallen, dass das so nicht wieder passieren soll. Um den jungen Berliner*innen ein ausreichendes und vor allem vielfältiges Angebot zu machen, braucht es eine lebendige und diverse Kulturszene, starke Kinder- und Jugendtheater und Anreize für dieses Publikum zu arbeiten.
Sehr viel wird darüber gesprochen: über verunsicherte Jugendliche, über ein Hindriften zu den radikalen Rändern. Darüber, dass die Demokratie in Gefahr ist. Dem entgegenzuwirken, braucht es die ganze Bandbreite der Kultur, braucht es auch die öffentlichen Orte, zu denen die Theater genau wie die sozialen Träger gehören – mit ihren Angeboten. Tanz und Theater, Musik, bildende Kunst und Literatur können ihren Beitrag leisten. Müssen es sogar. Sie sind essentiell für eine gesunde Gesellschaft, kein Luxus oder Beiwerk.

Demo-Impressionen von David Baltzer | bildbuehne.de

Presseschau (Auswahl):

https://www.zdf.de/3sat/kulturzeit/demo-gegen-kultur-sparplaene-in-berlin-100.html

https://www.tagesschau.de/inland/regional/berlin/rbb-berlins-kulturszene-demonstriert-mittwoch-gegen-sparplaene-thalbach-und-eidinger-dabei-100.html

https://www.rbb24.de/kultur/beitrag/2024/11/berlin-einsparungen-kultur-demonstration-brandenburger-tor.html

https://www.tagesspiegel.de/kultur/demo-gegen-kulturabbau-in-berlin-joe-chialo-kassiert-buh-rufe-12698291.html

https://www.radioeins.de/programm/sendungen/der_schoene_morgen/_/ist-das-clubsterben-nur-der-anfang-.html

https://www.deutschlandfunkkultur.de/berlinistkultur-demonstration-gegen-geplante-kuerzungen-im-kulturbereich-dlf-kultur-929ad05e-100.html

https://nachtkritik.de/recherche-debatte/kommentar-zu-den-kulturkuerzungen-in-berlin