Kinder in suchtbelasteten Familien

Interview mit Henning Mielke, Mitgründer, Projektkoordinator und Leiter der Online-Beratung von NACOA Deutschland

NACOA Deutschland gibt es seit 2004, worin besteht der Kern eurer Arbeit?
Wir haben das Ziel, die Situation der von Sucht in der Familie betroffenen Kinder zu verbessern. Bei drei Millionen betroffenen Kindern klingt das ziemlich größenwahnsinnig. Natürlich können wir als kleine Organisation das nicht alleine schaffen. Wir sind die einzige Organisation, die das Thema auf Bundesebene bearbeitet. Auf lokaler Ebene gibt es ca. 200 Hilfsangebote. Wir kämpfen auf Bundesebene dafür, dass solche Angebote in Deutschland in jeder Stadt und in jedem Landkreis zur Verfügung stehen und auch finanziert werden.

Jedes sechste Kind in Deutschland lebt in einer Familie mit mindestens einem suchtbelasteten Elternteil. Was muss sich in unserer Gesellschaft ändern?

Wir bräuchten eine ganz breite gesellschaftliche Debatte über unseren Umgang mit Suchtmitteln und vor allem mit der Volksdroge Nummer eins: dem Alkohol. Der wird bei uns viel zu selbstverständlich bei jeder Gelegenheit konsumiert. Die Alkoholkrankheit zerstört unzählige Familien und belastet die psychische Entwicklung der darin aufwachsenden Kinder. 70.000 Menschen sterben jedes Jahr daran. 40 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Schäden verursacht der Alkohol in Deutschland Jahr für Jahr. Aber unsere Gesellschaft tut so, als wäre das alles normal. Ich würde sagen, das ist krank.

Was würdest du einem Kind, das in einer Familie mit Suchtproblematik aufwächst, raten?

Das Wichtigste: Mach Dir klar, dass Du nicht schuld bist. Deine Eltern haben eine Krankheit und deren Ursachen haben nichts mit Dir zu tun, selbst wenn die Eltern das behaupten. Deine Eltern sind keine schlechten Menschen, weil sie krank sind. Du darfst sie weiter lieben, auch wenn Du die Krankheit hasst. Du kannst die Krankheit nicht heilen. Das ist nicht Deine Aufgabe. Du bist OK. Das Zweitwichtigste: Such Dir Erwachsene, die für Dich da sind, denen Du vertraust und mit denen Du Dich wohlfühlst. Oma, Opa, die Eltern Deiner Freunde, Lehrer, Tante, Onkel oder die nette Frau aus der Wohnung gegenüber. Verbring so viel Zeit mit diesen sicheren Erwachsenen, wie Du kannst, und sprich mit ihnen darüber, wie es Dir geht. Das Drittwichtigste: Mach Dein Ding. Tu Dinge, die Dir Freude machen, wo Du ausgelassen und fröhlich sein kannst. Das kann ein Sport sein oder das Erlernen eines Instrumentes. Singen, Tanzen, mit anderen Kindern draußen sein, Theater spielen, ganz egal – Hauptsache Du kannst dabei neue Sachen lernen und entdecken, was in Dir alles an tollen Fähigkeiten steckt.

Die Fragen stellte die Dramaturgin Ute Volknant.
Weitere Infos auf www.nacoa.de sowie telefonische Beratung unter Tel. 030 35 12 24 29.