Das Leben ist ein Wunschkonzert

Autorin Esther Becker über ihr neues Theaterstück am GRIPS, einen Schneckenchor und ein nicht zu unterschätzendes Publikum

Das Leben ist ein Wunschkonzert? Haben wir uns verlesen – heißt das nicht eigentlich anders?

Sie haben sich nicht verlesen. Wenn jemand „Das Leben ist kein Wunschkonzert“ sagt, geht es darum, dass im Leben nicht immer alles einfach ist, oder schön, oder angenehm und man damit klarkommen muss, wenn nicht alles genau so läuft, wie man will. Das stimmt natürlich auch.  Aber im Stück geht es darum, dass in manchen Situationen die eigenen Wünsche bzw. Bedürfnisse sehr wohl wichtiger sein können als die der Anderen. Sogar wichtiger als die der eigenen Eltern.

Im Stück spielt ein kleines Mädchen, das alkoholabhängige Eltern hat, die Hauptrolle. Es geht also um ernste Themen. Andererseits gibt es einen Schneckenchor – es darf also gelacht werden, oder?

Unbedingt. Es darf gelacht werden, es darf geweint werden und alles dazwischen. An dem Begriff „Thema“ stoße ich mich immer ein bisschen… Meine Texte entstehen meist aus Bildern oder Motiven, aus denen ich dann eine Geschichte komponiere. Es war beispielsweise zuerst der Schneckenchor da, dann kam Anna und dann hat sich ihr Konflikt herauskristallisiert – dass ihre Eltern als Eltern ausfallen und Anna damit zunächst allein ist.

Ihr Stück gewann den „berliner kindertheaterpreis 2019″. Wie unterscheidet sich das Schreiben für ein junges Publikum von dem für Erwachsene?

In den Workshop-Phasen des „berliner kindertheaterpreises 2019“ hatte ich das Vergnügen, gemeinsam mit der Theaterpädagogin Laura Mirjam Walter eine erste Klasse der Hansa-Grundschule zu besuchen und so die „Zielgruppe“ kennenzulernen und später den Text zu testen: Wird die Handlung klar, ist der Humor verständlich? Ansonsten sehe ich keine grundsätzlichen Unterschiede. Mir ist es wichtig, ein junges Publikum nicht zu unterschätzen, was Form und Ästhetik der Sprache angeht. Rhythmus und Musikalität interessieren mich als Dramatikerin mehr als Realismus – egal für welches Publikum ich schreibe.

Über Esther Becker

Esther Becker ist Dramatikerin, Erzählerin und Performerin. Sie absolvierte den Masterstudiengang Scenic Arts Practice an der Hochschule der Künste Bern und studierte Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut Biel und am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Esther Becker ist Mitglied der Theaterformation bigNOTWENDIGKEIT. Ihr Stück „Mimosa“ ist im Rahmen des Dramenprozessors 2016/17 am Theater Winkelwiese in Zürich entstanden. Mit „Wildbestand oder Von einer, die auszog, eine Zukunft zu finden“ wurde sie zum Heidelberger Stückemarkt 2018 eingeladen.

Die Fragen stellte Ruth Hundsdoerfer
Copyright des Fotos: Françoise Caraco