Wie man ein Theaterstück entwickelt

Das Ensemble von „Upload Virgin“ im Gespräch


Wir haben gefragt:
Was ist das Besondere für dich an einer Stückentwicklung? 
Wie würdest du deine Rolle darin beschreiben?   
                   

MARCEL HERMSDORF (Schauspieler) 

Das Schöne bei der Stückentwicklung ist, dass die Texte von uns Spielenden auf der Probe improvisiert werden und somit direkt aus unserem Mund kommen. Manchmal fremdelt man mit anderen Texten und man muss erst herausfinden, wie der/die Autor*in das gemeint haben könnte. Man muss dann erst forschen, wie die Figur im Stück in dem jeweiligen Moment denkt. Bei einer Stückentwicklung bekomme ich als Spieler in der Probe eine Ausgangssituation genannt und spiele dann drauf los. Wenn ich dann meinen Text in der Probe wiederhole, weiß ich noch ziemlich genau, wieso ich bestimmte Sätze gesagt und was ich dazu gedacht habe. Regie & Dramaturgie filtern dann aus, was am Ende für das Stück brauchbar ist und was nicht. Weil es unser Stück vorher noch nie gab und wir gemeinsam etwas komplett Neues entwickeln, nehme ich hier eine besondere Team- und Ensembleleistung wahr, mit vielen kreativen Ideen von allen Einzelnen.

Lisa Klabunde (Schauspielerin)

An einer Stückentwicklung finde ich besonders spannend, dass ich die Ausrichtung des Stückes und den Plot mitgestalten kann. Was mich am Stoff interessiert, fließt in die Spielsituationen ein. Ich darf meine Figur von Anfang an gestalten und eine Sprache für sie finden – das gibt es in fertig geschrieben Stücken für mich nie.
Meine Aufgabe ist, neugierig zu sein auf das, was wir machen, und mutig auszuloten, wie weit das Ganze gehen kann. Durch Improvisationen lerne ich meine Figur kennen und bestimme unterwegs ihre Entwicklung. Fast alle Texte sind aus Improvisationen herausentstanden.

Meine Rolle in der Stückentwicklung ist eine vermittelnde. Ich bringe die Spieler*innen und das gesamte künstlerische Produktionsteam in Kontakt mit verschiedenen Expert*innen für das Thema, an dem wir arbeiten. Das sind zum einem Jugendliche: So haben wir schon vor Probenbeginn in zwei Schulen mit Klassen zu Liebe im Digitalen und Rollenanforderungen gearbeitet, und auf dem Weg zur Premierenklassen zu unterschiedlichen Ständen unseres Probenprozesses befragt und ihre Gedanken in unsere Arbeit einfließen lassen. (Insgesamt ca. 180 Jugendliche). Zum anderen bringe in die Produktion mit einer Fachexpertise in Kontakt. In dem Fall von UPLOAD VIRGIN war das „dissens“-Institut für Forschung und Bildung e.V.. Mit ihrem Fachwissen zu geschlechterreflektierter Pädagogik beraten sie uns mehrfach im Entwicklungsprozess. Das besondere an einer Stückentwicklung ist, dass diese Impulse besonders stark in das, was gerade noch im Entstehen ist, einfließen können.

Anna-Sophia Fritsche (Theaterpädagogin) 

Ich finde spannend, wie alle Beteiligten im Prozess der Stückentwicklung eine kollektive Vorstellung von der Geschichte entwickeln, die wir erzählen möchten.Meine Aufgabe ist die Umsetzung der Musik und Sounds, die das Innenleben der Protagonist*innen beschreiben oder die dargestellten Situationen untermalen und ergänzen.

Florian Buder (Bühne und Kostüm)

Für mich ist das Besondere an einer Stückentwicklung, dass prinzipiell jede*r mitschreiben kann! Der Körper der Geschichte wächst jeden Tag und durch die geteilte Autor*innenschaft können Wege ausprobiert werden, die von einer Einzelperson so vermutlich nicht gegangen wären. Die Skizze des Skripts steht im Raum, wird permanent von verschiedenen Standpunkten beleuchtet, weitergedacht und bleibt dabei offen für neue Ideen und Erfahrungen – wo die Reise hinführt, ist lange ein Geheimnis.
Stückentwicklungen erfordern eine gewisse Wachsamkeit: Es macht Spaß zu beobachten, wie das Stück sich entwickelt, gleichzeitig ist man selbst gefragt, welche Abzweigungen die Geschichte nimmt. Fühlt es sich noch richtig an, wie die Figuren handeln? Was bedeutet das für den Raum, das Bühnenbild? Wie flexibel kann der Raum auf die Ungewissheit der Geschichte reagieren?

Markus Rom (Musik und Sounddesign) 

Tobias Diekmann (Dramaturgie)

Das Spannende an einer Stückentwicklung aus dramaturgischer Sicht sind die prozesshaften Proben. Alles ist in Bewegung. Und das nochmal viel mehr als in Produktionen mit einem fertigen Text. Hier entstehen die Texte erst während der Proben und dann kann ich mich in Absprache mit dem künstlerischen Team entsprechend einbringen. Texte und Szenen werden dann immer wieder neu betrachtet, eventuell umgestellt oder gestrichen. Dramaturgische Bögen können individueller gestaltet und verändert werden, Haken schlagen oder komplett Neues für die Geschichte hervorbringen. Eine besondere Arbeit, die ein hohes Maß an Teamfähigkeit voraussetzt, dann aber umso mehr Spaß macht.