Theater trifft Schule – TUSCH an der Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule

Seit der Spielzeit 2024/25 ist die Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule in Charlottenburg-Wilmersdorf Teil von TUSCH Berlin – einem seit 1998 bestehenden Kooperationsnetzwerk, das Partnerschaften zwischen Berliner Schulen und Theatern initiiert, begleitet und fördert. In einer dreijährigen Zusammenarbeit mit dem GRIPS Theater wird Theater fester Bestandteil des Schulalltags.
Das Ziel: Schüler*innen aktiv in künstlerische Prozesse einbinden, kreative und soziale Kompetenzen stärken – und Theater nicht nur als Kulturangebot, sondern als Erfahrungsraum des gemeinsamen Lernens begreifen.

Im Gespräch mit uns berichten die drei Künstler*innen, die das Projekt gestalten, sowie unsere Kontaktlehrerin als schulische Koordinatorin, wie die Partnerschaft wirkt, was sie bewegt – und welche künstlerischen Visionen dahinterstehen.

Seit TUSCH: Mehr kulturelle Bildung und ein spürbar veränderter Schulalltag

Ute Krickeberg, Lehrerin und Koordinatorin:

„Wo sind wir gelandet?“ fragten sich im TUSCH-Projekt 2024/25 Schülerinnen der Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule und entdeckten Berlin nach ihrer Exkursion aus einer völlig neuen Perspektive. Denn die GRIPS-Theaterpädagoginnen waren zuvor mit ihnen in ferne Phantasiewelten geflogen. Die Expeditions teilnehmerinnen kehrten verändert zurück: mit neuem, kreativem Blick auf das einst Gewöhnliche.

Für dergleichen Expeditionen können die künstlerisch-ästhetischen Schulfächer im Rahmen des allwöchentlichen Unterrichts die „Ausrüstung“ zurechtlegen, doch erst im Projekt zusammen mit erfahrenen Expeditionsleiterinnen beginnt das wahre Abenteuer. Es bringt soviel Glück mit sich, dass die Frage „wozu brauchen wir Musik/Kunst/Theater“ keiner teilnehmenden Person mehr in den Sinn kommt. „Kulturelle Bildung“ entfaltet sich dort, wo sich diejenigen, die im künstlerischen Leben außerhalb von Schule navigieren, mit denjenigen, die im Schutzraum Schule arbeiten, zusammenschließen. Nötig ist der Aufbau gegenseitigen Vertrauens, das bei längerer Zusammenarbeit entsteht.
In diesem Rahmen kann der Ausflug ins Offene beginnen.

Viele Schüler*innen der Paula-Fürst-Schule wirken sehr ermutigt, sich künstlerisch tätig zu zeigen – nicht mehr nur im Klassenraum, sondern auch auf dem Schulhof, der Straße, der Schulbühne und auf Bühnen außerhalb der Schule: Wir merken eine starke, bereichernde Wirkung der mehrjährigen Kooperationen mit der Musikschule und neuerdings dem GRIPS-Theater.

Foto von Felix Zilles-Perels

Beratung als kreatives Spiel – Das neue TUSCH-Projekt 2025/26 und was die Schüler*innen daraus mitnehmen sollen

Elisabeth Graaf, Theaterpädagogin:

Der Titel des neuen Projekts lautet: Wie kann ich dir helfen? (AT). Wir werden uns mit dem Thema Beratung beschäftigen und dabei folgenden Fragen nachgehen: Wer berät eigentlich wen – und warum? Wofür sind wir selbst Expert*innen, und wen könnten wir beraten? Wie möchten wir beraten und uns gegenseitig unterstützen? Wann ist ein Rat unangebracht? Wann sollte man niemals auf einen Rat hören, sondern Unratsames tun? All das wollen wir ausprobieren und erproben: Wir erfinden ein Orakel, legen Tarotkarten, essen viel zu viele Glückskekse, inszenieren eine Talkshow, eröffnen einen Beratungsstand auf dem Alex – und vieles, vieles mehr.

Ich wünsche mir, dass die Schüler*innen mitnehmen können, dass jede*r bereits viel Wissen mitbringt, das weitergegeben werden kann. Als junge Menschen werden Schülerinnen selten befragt – dabei könnten sie sich gegenseitig sowie Erwachsenen hilfreiche Tipps und Ratschläge geben. Ich würde mir wünschen, dass die Schülerinnen Beratung als kreative Praxis mit Spaß entdecken und eigene Formen erfinden. Ich wünsche mir, dass wir als Gruppe voneinander viele neue Dinge lernen – aber auch, dass einen Rat zu ignorieren manchmal genau das Richtige ist.

Rap als Teil des TUSCH-Projekts – seine Wirkung im Theaterkontext und der Weg zum eigenen Stil

Matondo Castlo, Künstler und Rapper:

„Rap war schon immer die Stimme derjenigen die oft übersehen werden. Rap ist eine Säule des Hip-Hops und diese Kultur ist seit Jahren die größte Jugendbewegung der Welt. Rap ist frech, direkt, authentisch, gesellschaftskritisch und empowernd. Diese Musikrichtung kann dem Theaterkosmos noch viel mehr Lockerheit und Leichtigkeit schenken. Gemeinsam im Einklang durch den Flow der auf den Beat gleitet aber auch wichtige Botschaften bzw. eine Message weitergibt. Theater war für mich fremd, peinlich, nicht meins. Als mir die Regisseurin Theresa Henning nach einem Auftritt von mir erzählte, dass ich das auch in einem Theaterstück machen kann, traute ich mich erstmals für ein Stück zu proben. Sie leitete die Regie. Damit will ich sagen, dass der Rap dem Theater vor allem was Jugendliche betrifft zeigen kann, dass es für manche Alles ist was sie haben. Gleichzeitig kann das Theater marginalisierten Jugendlichen die sich durch Rap definieren eine etwas andere Bühne bieten. Im Endeffekt haben beide Kunstform so viel mitzuteilen und sollten deshalb noch viel öfter zusammenkommen. 

Lasst doch mal Jugendliche Gedichte von William Shakespeare lernen. Aber schau was passiert wenn Du einen Beat abspielst und den Jugendlichen die Aufgabe gibst eines seiner Gedichte darauf zu rappen. Reime,Metaphern, Atmung, Phonetik, Artikulation, Rechtschreibung, Grammatik, Poesie, Dichten und Denken. Rap und Theater funktionieren. Checkt das.

In die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern möchte ich mit ihnen auf die Suche nach ihrem eigenen Stil gehen. Das ist warum Rap, wie wir ihn kennen, seit mittlerweile über 50 Jahren funktioniert. Es gibt nicht den einen Flow also es gibt nicht die eine Art und Weise wie ich was rappen kann. Wie was rübergebracht wird kennt keine Grenzen. Von Generation zu Generation wird anders gerappt und getextet. Es wird einfach nicht langweilig. Rap ist so allgegenwärtig. Ob im Theater, im Deutschunterricht, in Gedichten, Märchen, Fabeln, Gedichten, der Jugendsprache und Tagebucheinträgen steckt überall Rap. 
Sobald die Jugendlichen das verstehen, finden die Schülerinnen und Schüler ihren eigenen Stil bzw. merken, dass sie schon längst einen haben.

Es lebe der Hip-Hop, Each one teach one, wir sind alle Eins. Liebe!“


TUSCH-Projekt zwischen Smartphone, Theaterspiel und Stadt

Felix Zilles-Perels, Theaterpädagoge und Videokünstler:

Während der Projektwochen im ersten TUSCH-Jahr haben sich die Jugendlichen z.B. gegenseitig in Kleingruppen interviewed und mit den eigenen Smartphones kleine Task-Performances im öffentlichen Raum dokumentiert. Mit den Schüler*innen der 1.-3. Klasse haben wir u.a. kurze Szenen bei einem Ausflug auf das Tempelhofer Feld gefilmt.

Am Ende ist daraus das Video “Hier sind wir gelandet” entstanden. Ein wichtiger Teil der Projektwochen war dabei, sich am jeweils nächsten Tag gemeinsam das entstandene Videomaterial anzuschauen und die eigenen, unterschiedlichen Wahrnehmungen miteinander zu teilen.

Die Künstler*innen im Projekt – Kurz vorgestellt

Elisabeth Graaf
Geboren 1997. Studierte Theaterpädagogik an der UdK Berlin. Arbeitet als freie Künstlerin in Berlin, Hamburg und Bielefeld. Tätig u. a. für die Schaubude Berlin, das Thalia Theater Hamburg und das GRIPS Theater Berlin. Interesse an forschendem, intermedialem und choreografischem Theater. Ihre letzte TUSCH-Produktion wurde mit dem Fritz-Wortelmann-Preis ausgezeichnet. Promoviert derzeit zum Thema Performancekunst mit Material.

Felix Zilles-Perels
Geboren 1992 in Hamburg. Studierte Videokunst an der KHM Köln, macht derzeit seinen Abschluss in Theaterpädagogik an der UdK Berlin. Arbeitet mit dokumentarischen und performativen Ansätzen, oft in künstlerischen Kollektiven. Schwerpunkt: Einsatz von Video in der Theaterpädagogik.

Matondo Castlo
Geboren als 1993 in Berlin. Er ist Schauspieler, Moderator und kultureller Bildungsarbeiter. Er wuchs in Berlin-Neukölln als Sohn kongolesischer Pädagogen auf. Castlo begann eine Ausbildung zum Sozialassistenten und eine zweite Ausbildung zum Erzieher. Parallel dazu leitete er Rap- und Schauspielworkshops für Jugendliche. Er ist Gründer des gemeinnützigen Projekts Alles für die Jugend, war 2021–2022 Moderator der KiKA-Sendung Baumhaus und ist seit 2022 Mitglied im Kuratorium der DFL Stiftung.

TUSCH – Theater und Schule schafft Erfahrungsräume, die Mut machen, Neues zu entdecken. Und das Wichtigste: Die Schüler*innen stehen dabei im Mittelpunkt. Mit ihren Ideen. Ihren Geschichten. Ihrer Sprache.

Mehr über TUSCH unter:
👉 www.tusch-berlin.de