Über Ohnmacht, Macht und Energie – und ein Erinnerungskästchen

Ein Gespräch mit den Dramaturg*innen Henriette Festerling und Max Edgar Freitag und dem Musiker und Komponisten Torsten Knoll

GRIPS: Wie nutzt ihr Musik im Stück, um die Geschichte zu erzählen?

Torsten Knoll: Erstmal gab es die Idee, dass es szenische Musik wird, die also Szenen unterstützt und mit aufbaut oder auch Choreografien unterstützt. Das war anfangs ein großer Teil. Dann kam Eriks Text über die Probe hinzu, der sehr viele neue Ansagen gemacht hat und neue Dinge gesetzt hat. So zum Beispiel hat Erik einfach Liedtexte geschrieben, auf einmal gab es den Wunsch und auch durchaus die Lust auf allen Seiten, jetzt dann eben auch konkrete Lieder reinzubringen. Ich würde auch sagen, dass die Funktion der Musik auch sehr den Funktionen der Songtexte folgt, die Erik vorgelegt hat. Da sind bestimmte Themen, die eher manchmal hinter den Szenen liegen, also die man in Szenen nicht unbedingt eins zu eins plakativ sieht, sondern die aus einem anderen Winkel betrachtet werden.

GRIPS: Was sind Chancen und Herausforderungen im Probenprozess?

Torsten Knoll: Das Schöne ist, dass wir wirklich verschiedene Spieler haben, die jetzt das erste Mal Kontakt zu einem bestimmten Instrument haben und eine Riesenfreude und Motivation daran entwickeln, bei beiden Ensembles. Das ist natürlich schön.

©Gianni Plescia

GRIPS:  In welchen Momenten im Rahmen der Proben konntet ihr Macht und Ohnmachtsverhältnisse beobachten?* 

Max Edgar Freitag: Die Musik unterstreicht das ganze Vorhaben noch mal. Gerade beim ersten Lied ist mir aufgefallen, dass wir diese Macht, eine positive Macht, ins Publikum geben, das Publikum damit anheizen und ihm Energie geben mit diesem ersten Lied, obwohl noch gar nichts gemacht ist. Ich habe das Gefühl, dass wir uns nicht nur untereinander Macht und Ohnmacht geben, sondern auch dem Publikum damit Energie geben. 

Henriette Festerling Diese Form von Fürsorge ist auch eine Arbeitsmethode geworden, die irgendwie unter allem liegt. Das ist dann die Art und Weise, wie wir diese absurd großen Themen, die man ja auch auf viele Arten herunterbrechen muss, irgendwie angehen können. Erst mal fängt das total basic damit an, dass wir diesen Raum teilen. Das ist ja schon mal eine Form von Ermächtigung, dass wir hier zusammen sind, und das im Theater, wo nun mal die Möglichkeit besteht, Erfahrungen und Geschichten zu teilen. Das ist das, was Theater kann, was ja auch ein faszinierendes Medium ist, um sich diesem Thema irgendwie zu stellen. 

GRIPS: Was nehmt ihr aus den Proben mit?

Henriette Festerling Für mich ganz, ganz viel Neugierde. Es ist wirklich so eine Bereicherung, in der Gruppe, aber auch einfach für mich selber, immer wieder zu hinterfragen, mit was für vorprogrammierten Sehaufträgen ich in Dinge reingehe, also welche Scheuklappen ich für Themen habe, die ich nicht erlebe. Diese Neugierde wirklich in jede Probe und in jede Situation mitzunehmen, gibt mir total viel, das merke ich jetzt schon.

Max Edgar Freitag: Was ich mir gerne aus den Proben und aus der schönen Zeit mit euch mitnehmen möchte, ist eine niedliche kleine Kiste. Eine Kiste, wo ich dann all diese schönen Erinnerungen aus den Proben reinpacken kann. Die herzliche Sabine, wie sie uns alle empfangen hat. Die Zusammenarbeit zwischen Thikwa und GRIPS, auch mit Henriette, wie wir unten immer empfangen werden. Also all das, die ganze Kiste mit allen Schwierigkeiten, aber auch allen Überwindungen, die wir hatten, diese Pionierarbeit. Später, in vielleicht 10, 20 Jahren, wenn wir hoffentlich zusammen schon mehr als nur ein Stück gemacht haben. Dass wir alle zusammen darauf zurückblicken und sagen: Guck mal, das waren die Anfänge, da haben wir das gemacht, hier konnte ich das nicht, aber dafür hier, also all diese schönen Erinnerungen. Ich finde Erinnerungen mitunter wichtiger als die Erlebnisse jetzt, weil die Erinnerungen, die bleiben.

*Macht/Ohnmacht/Ermächtigung bei Kindern und bei Menschen mit Behinderung war die Fragestellung, die der Stückentwicklung und im Zuge dessen auch dem Produktionsprozess zugrunde lag.

Das gesamte Interview gibt es hier!

Aus: Oana Cîrpanu, Line Papendieck: „TheaterPowerPaket“ rund um inklusive, machtkritische Perspektiven für den Unterricht. Ab 2. Juli 2024 zum Download hier im GRIPS-Blog und auf der Produktionsseite unserer Website.
Das Gespräch führte Simone Kiebler, Projektleiterin des Gesamtprojekts „Zusammenspiel“ .


Das Theaterstück „Bumm, Krach, Boing!“ ist im Rahmen des dreijährigen Projekts „Zusammenspiel“ entstanden, gefördert in „pik – Programm für inklusive Kunstpraxis“ der Kulturstiftung des Bundes. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.