Kinder- und Jugendtheater sind erheblich durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus betroffen. Die konkrete Situation ist je nach Bühne unterschiedlich – abhängig davon, welche Förderung allgemein besteht und welche Hilfsprogramme in der Krise genutzt werden können. Der Arbeitskreis Berliner Kinder- und Jugendtheater zeigt in diesem offenen Brief spezifische Problematiken auf und macht konkrete Handlungsvorschläge:
- Umsetzung der Strukturförderung / Hilfe während der Krise
Das Defizit der bisherigen Förderpraxis wird durch die Corona-Krise verstärkt. Die Finanzierung der meisten Kinder- und Jugendtheater erfolgt auf Einnahmenbasis. Notwendigerweise wird das Ausfallrisiko auf die Künstler*innen übertragen, die fast ausschließlich in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Kurzarbeitsgeld kann nur bei sozialversicherungspflichtigen Angestellten gezahlt werden, kleinere Theater zahlen aber nur Honorare. Kultureinrichtungen mit einer Strukturförderung sind gegen Krisen besser gesichert.
- Der Arbeitskreis wünscht, die bereits im Haushalt 2020/21 beschlossene Förderung kleinerer Kinder- und Jugendtheater aus dem Haushaltstitel Titel 68611 – 181, Zuschüsse an Kinder-, Jugend- und Puppentheater durch den Kultursenat schnellstmöglich umzusetzen.
- Die in vorherigen Jahren übliche Sachmittelförderung ist derzeit nicht hilfreich, da Mieten und Personalkosten bisher nicht als förderfähig anerkannt wurden. Der Arbeitskreis wünscht, dass in dieser Zeit auch laufende Kosten für Miete und Personal als projektbezogene Kosten zuwendungsfähig sind.
- Wegen der besonderen Abhängigkeit von den Einnahmen durch gute Auslastungszahlen fordert der Arbeitskreis einen Fonds zum Ausgleich von Einnahmenverlusten, sofern andere Förderinstrumente nicht greifen. Dieser würde sowohl den Theatern helfen, insbesondere aber auch den von der Corona-Krise stark betroffenen Solo-Selbständigen, die überwiegend keine Ausfallhonorare für abgesagte Vorstellungen erhalten, da die kleineren Theater und Spielorte diese nicht zahlen können.
- Förderung von Theaterbesuchen der Schulen
Die Corona-Krise macht die Abhängigkeit der Kinder- und
Jugendtheater von Schulen/ Kitas deutlich. Wenn nach längerer Schließzeit in
Schulen ein Ausflugsverbot verhängt wird, hat dies fatale Konsequenzen für die
Theater, unabhängig einer Aufhebung des Verbots von Kulturveranstaltungen. Der
Zugang zu Kultur ist aber ein Grundrecht für Kinder- und Jugendliche und gerade
nach der Krise besonders wichtig.
- Der Arbeitskreis wünscht sich, dass sich der Kultursenat mit dem Bildungssenat darauf verständigt, dass bei einem möglichen Ausflugsverbot für Schulen eine Ausnahme für Besuche von Tanz- und Theaterveranstaltungen besteht. Gemeinsam mit dem Bildungssenat sollten Richtlinien für Theaterbesuche/Vorstellungen und Workshops in den Schulen und Kitas entwickelt werden, die für Lehrkräfte/Erzieher*innen und Theater Handlungsspielräume definieren.
- Der Arbeitskreis wünscht sich gemeinsam initiierte Maßnahmen durch den Bildungs- und Kultursenat zur Wiederankurbelung und Förderung von Vorstellungsbesuchen (je Schule vollständig geförderte Vorstellungsbesuche für die ersten drei Klassen, Einführung eines Kulturrucksacks – ein vollständig geförderter Vorstellungsbesuch je Kind und Schuljahr).
- Keine Kürzung nach der Krise
Während der Krise besteht eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Bedarfe kleiner und mittlerer Unternehmen – auch aus dem Kulturbetrieb. Die Kinder- und Jugendtheater erwarten aber, dass auch nach Ende der Restriktionen Langzeitfolgen auftreten, sei es durch gestundete Zahlungsverpflichtungen, reduzierte Zuschauerzahlen, schrumpfende Etats von Drittmittelgebern. Eine Kürzung des Kulturetats auf Schultern der ohnehin unterfinanzierten Kinder- und Jugendtheater wäre fatal. Eine Angleichung der Gehälter und Honorare von Beschäftigten im Kinder- und Jugendtheater an TV-L oder an die Empfehlungen zur Honoraruntergrenze des Deutschen Bühnenvereins bzw. dem Bundesverband Freie Darstellende Künste und des LAFT Berlin darf nicht in weite Ferne rücken.
- Die Kosten der Corona-Krise sollten weder in einem Nachtragshaushalt noch in zukünftigen Haushalten auf Kosten der Kinder- und Jugendtheater ausgeglichen werden.
- Der Arbeitskreis wünscht sich eine deutliche (sowieso überfällige und seit langem geforderte) Erhöhung des JKS/TdS-Zuschusses, da sonst Einnahmeausfälle über die Kartenpreise ausgeglichen und damit zu Lasten der Zuschauerkinder gingen. Diese deutliche Erhöhung sollte in 2020 durch die während der Corona-Krise nicht verausgabten Mittel der Besucherförderung sowie die im Haushalt beschlossene Aufstockung des Jugendkulturservices um 150.000 Euro ausgeglichen werden können und ab 2021 beibehalten werden.
Der Arbeitskreis der Berliner Kinder- und
Jugendtheater bedankt sich bei Kultursenator Dr. Klaus Lederer und seinem Team
ausdrücklich für das gute Krisenmanagement und bestärkt ihn in seiner Absicht,
die Berliner Kultur in der Krise sowie nachhaltig zu unterstützen.
Wir lenken mit diesem Brief das Augenmerk auf die
spezielle Situation und Bedarfe der Kinder- und Jugendtheater und
solidarisieren uns gleichzeitig mit der gesamten Kunst- und Kulturszene und
unterstützen die Anstrengungen und Forderungen anderer Initiativen, diese in ihrer
gesamten Vielfalt auch in und nach Corona-Zeiten zu
erhalten.
Berlin 28.4.2020
Das
Positionspapier wurde von Vertreter*innen des Berliner Arbeitskreis der
Kinder- und Jugendtheater, der AG Puppen- und Figurentheater des LAFT
Berlin, des Runden Tisch der freien Kinder- und Jugendtheater sowie
des Landesverband freie darstellende Künste Berlin e.V. (LAFT Berlin)“
erarbeitet.
ATZE Musiktheater, Thomas Sutter & Tom Müller Heuser
Figurentheater, Ute Kahmann
GRIPS Theater, Andreas Joppich & Philipp Harpain
Theater an der Parkaue, Florian Stiehler
Theater Jaro, Katja Behounek
Theater Morgenstern, Pascale Senn Koch & Daniel Koch
Theater o.N., Dagmar Domrös & Vera Strobel & Doreen Markert
Theater Strahl, Wolfgang Stüßel & Karen Giese
Schaubude Berlin, Tim Sandweg
Zeichnende
Alpar Fendo, Bauchredner & Magier
Astrid Lindgren Bühne, Gabriele Hilsberg
Das Weite Theater, Björn Langhans
Esther Nicklas, freischaffende Künstlerin und Puppenspielerin
FELD Theater für junges Publikum, Gabi dan Droste
Figurenbau Atelier, Silvia Eisele
Figurentheater Grashüpfer, Caroline Gutheil
Figurentheater Kaufmann & Co., Eva Kaufmann
Fliegendes Theater, Peggy Anders & Rudolf Schmid
florschütz & döhnert, Melanie Florschütz & Michael Döhnert
Friederike Hellmann
Galli Kinder-und Jugendtheater Berlin, Marion Martinez
Heidi Zengerle, Schauspielerin/Regisseurin/Theaterpädagogin
Il Teatrino degli Errori – Puppentheater der Fehler, Roberta Annecchino
Jugendtheaterwerkstatt Spandau (jtw), Julia Schreiner
Kindermusiktheater Verein, Isabella Bauknecht
LAG Spiel & Theater Berlin e.V., Vera Hüllersowie Nina Futschik, Claudia Hafner, Bob Schäfer, Prof. Dr. Gerd Koch (Gründungsherausgeber der „Zeitschrift für Theaterpädagogik KORRESPONDENZEN“), Stephan B. Antczack (Bundesverband Theaterpädagogik – erweiterter Vorstand), Robert Murat Freimuth, Ute Reimers, Johanna Botzkowski,
Christian Hoffmann
LINGULINO Kindertheater unterwegs, Claudia Franck
LÖWENECKER-THEATERCHEN BERLIN, Jürgen Rassek
Marionettentheater Kaleidoskop, Vera Pachale
Miriam Glöckler, Freie Produktionsleiterin für Kinder- und Jugendtheater
Mobile Maerchenbuehne, Angelica Bennert
MORPHtheater – Theater für junge Zuschauer, Kai Schubert
Nicole Gospodarek, Puppenspielerin
Offensive Tanz für junges Publikum Berlin, i.A. Canan Erek
Platypus Theater, Anja und Peter Scollin
puppen etc, Christiane Klatt
Puppentheater Felicio, Karsten – Toni Ackermann
Purple – Internationales Tanzfestival für junges Publikum, Canan Erek & Inge Zysk
Rike Schubert, Puppenspielerin
Schlossplatztheater Köpenick, Birgit Grimm
TANZKOMPLIZEN, Amelie Mallmann & Thomas Dörschel & Livia Patrizi
Theater Couturier, Martina Couturier
Theater Fusion, Susanne Olbrich
Theater Geist, Annegret Geist
Theater Kranewit und Theater Choochoo, Franziska Hoffmann
Theater Lichterfelde, Hans-Hermann Keune
Theater Miamou, Mirjam Hesse
Theater Rote Grütze (ehem.), Lutz Bublitz
Theater Tiefflieger, Wolfgang Schneller
Theater Vielfalt, Julia de Boor
Theater Zitadelle Berlin, Regina Wagner
ZIRKUSMARIA, Julia Brettschneider & Matthias Bernhold
Zuckertraumtheater, Giuliana Fanelli