Kinder beraten Erwachsene

Im Gespräch mit den Autor*innen des Handbuchs für Kinderbeiräte an Kulturinstituten

Auf die Frage, ob Kinder an Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen in Kulturinstitutionen für junges Publikum beteiligt werden sollen, gibt es nur eine Antwort: Mitbestimmen ist ihr Recht gemäß der UN-Kinderrechte, ganz einfach! Aber wie können sie ihre Perspektiven dort ganz konkret auf inhaltlicher und struktureller Ebene einbringen?
Basierend auf den langjährigen Erfahrungen am Berliner GRIPS Theater in diversen Partizipationsformaten ist im September 2023 das Buch „Kinder beraten Erwachsene“ – ein Handbuch für Kinderbeiräte an Kulturinstitutionen entstanden. Dieses Handbuch gibt Einblicke in die Konzeption, Organisation und Umsetzung von Kinderbeiräten. Dabei kommen sowohl Kinder zu Wort, die klare Forderungen stellen, was Kinderbeiräte von Erwachsenen brauchen, als auch Expert*innen aus den Themenfeldern Kinderrechte, Adultismus und Partizipation am Theater. Impulsfragen, Checklisten, Praxisbeispiele und konkrete (Spiel-)Anleitungen bieten handfeste Unterstützung dabei, Beiräte in Theatern, Museen oder Musik- und Jugendkunstschulen zu starten, sowie Inspiration für Pädagog*innen und Lehrer*innen.

Um mehr über das Buch und seine Entstehung zu erfahren, führten wir dieses Interview mit den drei Autor*innen Friederike Dunger, Wiebke Hagemeier und Laura Mirjam Walter durch, die im GRIPS Theater als Theaterpädagog*innen viele der Projekte durchgeführt und entsprechenden Erfahrungen gesammelt haben.

GRIPS: Was hat euch dazu bewegt dieses Handbuch zu schreiben? 
Autor*innen: Die Theaterpädagogik des GRIPS Theaters hat viel Erfahrung darin, Kinder in ihren Angeboten einzubeziehen. Seit 2016 wollten wir drei und das Haus erforschen, wie auch strukturell der Perspektive von Kindern und Jugendlichen mehr Raum gegeben werden kann. So sind die ersten Kinderbeiräte entstanden. Wir als Initiator*innen der KinderTheaterBeiräte am GRIPS Theater hatten und haben die Vision, dass eine Organisation, die für Kinder arbeitet, auch in ihren Strukturen offen für Kinder sein sollte. Dafür haben wir Verschiedenes ausprobiert und verworfen, sind gescheitert und konnten zusammen mit Kindern Erfolge feiern. In den letzten Jahren sind an immer mehr Institutionen Beiräte entstanden und einige davon sind mit Fragen an uns herangetreten. Mit dem Buch wollen wir anderen Menschen, die in Theatern, Museen, Musikschulen u.a. arbeiten, eine praktische Hilfe geben auf  dem Weg, Kinder mehr in die Strukturen ihrer Institutionen einzubinden. Im besten Fall können sich so mehr Menschen ganz selbstverständlich und mit Freude in ihnen bewegen und dort gemeinsam künstlerisch aktiv werden.

GRIPS: Wie habt ihr mit der Arbeit begonnen und was waren eure Ziele? Wie viele Kinder haben daran teilgenommen und wie lange hat es gedauert, bis das Buch fertiggestellt war?
Autor*innen: Wir hoffen, dass dieses Buch dazu inspiriert und ermutigt, in Kulturinstitutionen für junges Publikum die Türen für die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen weit aufzumachen.Welche Form der Beteiligung gewählt wird, muss jede Institution für sich herausfinden.Insgesamt haben wir zwei Jahre an dem Buch von der ersten Idee zum gedruckten Buch gearbeitet.  Am Anfang des Schreibens haben wir uns zusammengesetzt und zurückgeblickt auf die verschiedenen Erfahrungen, die wir in den Beiratsjahren gemacht haben. Allein, zu dritt, mit einzelnen Jugendlichen und mit einer Gruppe von ehemaligen Beiratskindern. Das war ein langer Prozess der Reflexion, an dessen Ende wir ausgehend von den vielfältigen Erfahrungen mit den KinderTheaterBeiräten die konkreten Einblicke, Gedanken, Fragen und Checklisten zusammengefasst haben, die wir selbst gerne am Anfang unserer Beiratsarbeit gehabt hätten.  Und uns war sehr wichtig, dass bei dem Buch auch nicht nur unsere Perspektive zum Tragen kommt. Deswegen haben wir  ein Interview mit ehemaligen Beiratsmitgliedern geführt und gedruckt und diese Jugendlichen gebeten, unsere Erinnerungen und Gedanken zu kommentieren. 

Außerdem wollten wir wissen, was es eigentlich von Erwachsenen braucht, damit sich Kinder angemessen angesprochen und behandelt fühlen. Dafür haben wir 53 Kinder gebeten, zu besprechen, was ihnen wichtig ist, im Kontakt mit Erwachsenen. Herausgekommen ist das “How to deal with us” in dem Kinder Forderungen an Erwachsene stellen! 

GRIPS: Dieses “How to” ist auch wirklich eines der Herzstücke des Buches geworden. Es befinden sich auch sonst viele Statements und klare Forderungen von Kindern innerhalb des Buchs. Was sind eure Lieblings-Statements?  
Autor*innen:  
“Erwachsene sollen uns und unseren Eindruck akzeptieren.”
“Wir sind nicht dafür da, um zu gefallen.”
“Erwachsene sollten mit uns auf Augenhöhe reden, sollten dabei aber schon in der Position des Erwachsenen bleiben. Wenn sie sich auf unser Alter begeben, fühlen wir uns verarscht.”

Link zum “How to deal with us”: https://www.gripswerke.de/wp-content/uploads/2023/05/How-To-Deal-with-us-1.pdf

Kommentare der Ehemaligen: “Ich hatte damals in der Schule Probleme und hier [im Beirat] habe ich mich immer wohlgefühlt. Das war richtig cool, weil ich hier nicht so wie irgendjemand sein musste, sondern einfach so, wie ich bin. Wir konnten halt machen, was wir wollten! Wir hätten uns auch bockig in die Ecke setzen können.”

“Weil ich so viele Jahre am GRIPS war, kannte ich mit der Zeit immer mehr Menschen und die dann auch mich und wir haben uns gegrüßt. Vor allem, wenn ich dann wieder in anderen Projekten dabei war, kamen die rein und kannten mich schon. Und ich war so voll lässig: „Aah! Hi, schön dich zu sehen!“ Ja, das war cool. Und da hab ich mich auch sehr respektiert gefühlt.”

“Ich glaube, wir haben uns immer so ein bisschen besonders gefühlt. Ja, schon irgendwie fame. Es hat sich gut angefühlt, gemeinsam unterwegs zu sein und dann mit Erwachsenen zu sprechen. Die sehr gut aussehenden Hoodies haben es auch leichter gemacht, weil wir dadurch Teil einer festen Gruppe waren. Da konnte uns nichts passieren.”     

“Ich finde, Kinder haben eine ganz andere Sichtweise auf Sachen. Kinder sehen Sachen eher direkt, wie sie sind und sie sagen meistens auch das, was sie denken, weil sie noch nicht so beeinflusst sind. Ich denke, deswegen wäre es auch sehr gut, die Perspektive von einem Kind einzubeziehen.”

GRIPS: Das Buch dient als Handbuch für Kinderbeiräte in Kulturinstitutionen. Welche Maßnahmen könnten eurer Meinung nach ergriffen werden, um die Partizipation von Kindern zu fördern?
Autor*innen:
Wichtig ist u.a. sich mit Adultismus und Machtstrukturen innerhalb der Institution auseinander zu setzen und alle Menschen innerhalb der Institution auf den Kontakt mit Kindern/Jugendlichen vorzubereiten. Auch muss der Auftrag des Beirates klar mit der Institution abgesprochen sein: Wann kann der Beirat WIE und über WAS entscheiden? Wann wird WIE, WER und WAS vom Beirat beraten? Wo gibt es für den Beirat Gestaltungsspielräume? 
Und nicht zu vernachlässigen: Für Partizipation braucht es Rahmenbedingungen! Geld, Zeit, Räume und viel Organisation. So können Kulturinstitutionen für junges Publikum Schritt für Schritt zu Orten werden, an denen mehr Menschen gemeinsam künstlerisch aktiv sind und sich dort ganz selbstverständlich und mit Freude bewegen. Für uns ist das ein wichtiger Baustein in einem demokratischen Miteinander, das auch über die Türen von Kulturinstitutionen wirkt.

Weitere Do’s und Don’ts hier:  https://kulturelle-teilhabe-bw.de/fileadmin/Dokumente/HOW_TO/ZfKT_How_To_Kinder-_und_Jugendbeiraete_Doppelseiten.pdf
Und hier könnt ihr das Buch online kaufen:
https://www.grips-theater.de/de/produkte/buch-kinder-beraten-erwachsene/84

Die Autor*innen: Friederike Dunger, Wiebke Hagemeier und Laura Mirjam Walter

Die Fragen stellte die GRIPS-Theaterpädagogin Lama Ali.