Karsten Dahlem, Autor und Regisseur von „Princess“, im Gespräch
Schon bei der Zusammenarbeit bei der Produktion „Das schönste Mädchen der Welt“, für die Karsten Dahlem die Bühnenadaption des Films fürs GRIPS schrieb, funkte es zwischen ihm und dem GRIPS. Sein Humor, seine Menschenfreundlichkeit und sein Drang, Themen tief zu durchdringen, passen ganz wunderbar zum Haus. Und auch, dass Karsten Dahlem es liebt, für junge Menschen zu arbeiten, „weil Jugendliche nicht glauben, dass sie schon alles gesehen haben, sie lassen sich auf Experimente ein und entschlüsseln Bilder ganz direkt, ganz unverstellt.“ Nun kommt also am 25. Januar 2024 die Bühnenfassung seines Kurzfilms „Princess“ unter seiner Regie im großen Haus auf die Bühne.
GRIPS-Dramaturg Tobias Diekmann hat ihn dazu befragt:
GRIPS: Wie bist du auf die Idee zu »Princess« gekommen?
Karsten Dahlem: Auf dem Weg zum Kinderfasching. Mein Sohn hatte ein Superman-Kostüm an, sein bester Freund ein Prinzessinnenkleid. Nachdem wir unsere Kinder dort hingebrachten, hat sich sein Vater höchst irritiert über das Prinzessinnenkleid seines Sohnes geäußert. Ich habe gemerkt, wie sehr es ihn beschäftigt und er befürchtet, dass sein Kind in seinen Augen nicht »normal« ist – kein typischer Junge. Danach stelle ich mir die Frage, was denn ein typischer Junge ist? Jemand, der Fußball spielt und blaue Klamotten trägt oder seine Gefühle unterdrückt, was viele Männer heute noch machen? Warum irritiert Eltern aber auch Kinder in der Klasse, einen Jungen zu haben, der es liebt, sich manchmal zu schminken oder der gerne Prinzessinnenkleider trägt?
GRIPS: Stück basiert auf einem sehr erfolgreichen Kurzfilm, zu dem du das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hast. Was war dir bei der Dramatisierung des Stoffs für die Bühne wichtig?
Karsten Dahlem: Ich habe mit »Princess« einen Kurzfilm von 17 Minuten Länge gedreht, was auf der Bühne zeitlich natürlich nicht ausreicht. Ich wollte nun tiefer in die Charaktere eintauchen, mehr von ihrem Leben erzählen, den Zwängen, in denen die Hauptfigur Ole steckt, seiner Sozialisierung, wie er aufwächst und was dann als Zuschreibung als »typische Junge« oder typisch Mädchen« gesehen wird.
GRIPS: In unserer Gesellschaft gibt es bezüglich männlich und weiblich gelesener Personen immer noch ziemlich starre Rollenzuschreibungen. Was wünscht du dir da für die Zukunft?
Karsten Dahlem: Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir nicht in Schubladen denken, dass wir Dinge zulassen, die uns vielleicht irritieren oder sogar Angst machen. Das müssen wir aushalten, denn es gibt kein schwarz-weiß in unsere Welt, unsere Gesellschaft und wir Menschen sind bunt. Ich würde mich freuen, wenn die jungen, aber auch älteren Zuschauer*innen mitnehmen, dass es zwischen Eindeutigkeit auch viele Schattierungen in unserem Leben gibt. Etwas, was ich vielen rechten Parteien abschreibe, denn unsere Gesellschaft besteht nicht nur aus entweder so oder so, eben nur schwarz oder weiß. Dazwischen gibt es viele Farben. Und warum ist es so? Darum!
GRIPS: Welche Aufgabe hat die Musik in dem Stück?
Karsten Dahlem: Eine sehr zentrale, sie spiegelt die Gefühle der Charaktere wider, über die Musik kann man tiefer das Innenleben der Figuren erzählen.
GRIPS: Du bist Regisseur, warst aber auch lange Jahre Schauspieler. Hat das besondere Auswirkungen für den Probenprozess?
Karsten Dahlem: Die Schauspieler*innen vor der Kamera oder im Theater sind für mich die wichtigsten Menschen. Da ich selbst auf der Bühne stand und vor der Kamera, fühle ich mich Ihnen sehr verbunden. Ich versuche mich immer zuerst in die Fragen der Spieler*innen hinein-zuversetzen. Warum ist das so? Warum handelt meine Figur so? Natürlich habe ich ein künstlerisches Konzept im Kopf, versuche das aber erst mal im Probenprozess unterzuordnen.
Vita Karsten Dahlem
Karsten Dahlem ist ausgebildeter Schauspieler, Drehbuchautor, Dozent, Theater- und Filmregisseur. Er spielte u.a. an der Schaubühne, am Maxim Gorki, dem Volkstheater München und Wien. Als Theaterregisseur inszenierte er am Maxim Gorki, an den Staatstheatern Nürnberg und Oldenburg, an den Theatern Linz, Essen, Bremen, Oberhausen und am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seine Arbeiten erhielten den österreichischen Theaterpreis STELLA, den Oberhausener Theaterpreis oder den JugendStücke-Preis des Heidelberger Stückemarkts. Seine Kinodrehbücher „Freier Fall“ und „Fremde Tochter“ wurden international ausgezeichnet. 2016 debütierte Dahlem als Filmregisseur: „Princess“ war für den Max-Ophüls-Kurzfilmpreis nominiert und auf viele internationale Festivals eingeladen. Dahlems Kinolangfilm „Die Geschichte einer Familie“ (SWR/WDR), für den er auch das Drehbuch geschrieben hat, erhielt den Hofer-Goldpreis als bester Film. Der Film kommt 2023 in die Kinos. „Princess“ war für den Max-Ophüls-Preis nominiert und wurde auch mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht. Es folgte 2023 Dahlems Langfilm-Debüt „Die Geschichte einer Familie“ mit Anna Maria Mühe und Michael Wittenborn in den Hauptrollen. Dahlem erhielt dafür den Hofer Goldpreis und den Bernhard Wicki Preis in Silber für die beste Regie. Seine Hauptdarstellerin Anna Maria Mühe wurde für ihre Rolle mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet.