Abschiedsgestalterin Wendy Pladeck über Abschied, Trauer und Trauerbegleitung
Wendy Pladeck gründete „Abschiedsgestalterin“ und begleitet Menschen dabei, ihren persönlichen Abschied individuell zu gestalten. Außerdem engagiert sie sich für die Aufklärung rund um die Themen Abschied, Tod und Trauer. Hier setzt sie ihre Erfahrung und ihr Wissen auf der künstlerischen und pädagogischen Ebene ein. GRIPS-Dramaturgin Ute Volknant sprach mit ihr über das Abschiednehmen, ihren Beruf und was Trauernde brauchen.
GRIPS: Bei dem Wort Abschied denken viele Menschen an traurige Momente in ihrem Leben. Du hast dir »Abschied« zur beruflichen Aufgabe gewählt und bist professionelle Abschiedsgestalterin. Was genau ist das?
W. Pladeck: Abschied hat ja per se nichts Trauriges. Es ist ein Ende von etwas, welches Aufmerksamkeit erfährt. Das Ende zu zelebrieren, wertschätzt den Lebensabschnitt, der zu Ende geht. Es macht ihn sozusagen rund. Natürlich gibt es auch traurige Abschiede von Menschen, die sterben. Auch da kann es in der Trauer sehr wohltuend sein, den Abschied selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Und dabei begleite ich sehr gerne.
GRIPS: Wie kamst Du dazu, Dir einen solchen Beruf auszusuchen?
W. Pladeck: Schon als kleines Kind beschäftigte mich sehr, dass alle Menschen sterben werden. In meinem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft habe ich den Tod immer integriert. Beide Teile existierten lange nebeneinander. So arbeitete ich beim Bestatter und im Theater. Irgendwann kam der Punkt in meinem Leben, da wollte ich beides verbinden. So entstand Abschiedsgestalterin.
GRIPS: Macht Dir Deine Arbeit Spaß?
W. Pladeck: Ja, ich kann mir keine schönere Arbeit vorstellen. Es ist eine sehr sinnerfüllte Arbeit voller Lebensgeschichten und wahren Gefühlen. Die Menschen, mit denen ich arbeite, sei es indem wir gemeinsam eine Trauerfeier gestalten oder die ich in meinen Workshops kennenlerne, berühren mich. Einen Abschied selbst zu gestalten kann so viel mit dem Trauerprozess danach machen. Und das ist schön mitzuerleben.
GRIPS: Du gibst zum Beispiel Fortbildungen für Kitas. Geht es dabei immer um den Tod?
W. Pladeck: Ja, eigentlich geht es immer um den Tod. Aber es geht nie düster zu. Ich begreife den Tod als Teil des Lebens und somit darf auch viel gelacht werden; das wird es auch und manchmal auch geweint. Mir wird eine gewisse Leichtigkeit nachgesagt, und das ist mir auch ganz wichtig, den Tod aus seiner verstaubten und sehr gemiedenen Ecke zu holen. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass die Auseinandersetzung mit dem Tod direkte Auswirkung hat auf die Art, wie wir leben. Das hat eine Kraft, die auch sehr positiv wirken kann.
GRIPS: Wem fällt die Trauerarbeit schwerer, Kindern oder doch eher den Erwachsenen? Wie können wir Kinder in ihrer Trauerarbeit unterstützen?
W. Pladeck: Trauer ist individuell. Das ist sie bei Kindern, sowie bei Erwachsenen. Deswegen sollten wir alle da einen offenen Blick haben für die unterschiedliche Trauer von Menschen. Aber Erwachsene können sehr wohl etwas für Kinder tun. Indem sie für Fragen und Wünsche der Kinder offen sind. Diese Fragen ehrlich, wahrheitsgetreu und kindgerecht zu beantworten, kann für manchen Erwachsenen herausfordernd sein. Kinder werden leider immer noch zu oft ausgeschlossen, statt mit an die Hand genommen. Man sollte Kindern zeigen, wie man mit Trauer und Abschieden umgehen kann. Das ist so wichtig, weil es einen großen Teil unseres Lebens ausmacht.
GRIPS: Gibt es typische Fehler, die Erwachsene im Umgang mit trauernden Kindern immer wieder machen?
W. Pladeck: Erwachsene sollten ihre Ängste nicht auf die Kinder übertragen. Deswegen schule ich Erwachsene in meinen Workshops darin, die eigene Haltung zum Thema wahrzunehmen und auch sensibel mit Wörtern beim Sprechen über Tod zu sein. Denn unsere Sprache hat so viele verwirrende und irreführende Formulierungen, den Tod zu beschreiben, und das kann bei Kindern zu Verwirrung bzw. sogar manchmal zu großen Ängsten führen. Deswegen habe ich hierfür ein Spiel entwickelt, das den Menschen offenlegt, welche Bilder wir schaffen, wenn wir zum Beispiel »einschlafen« oder »in den letzten Zügen liegen« verwenden.
Es ist wichtig, klare, ehrliche und kindgerechte Antworten auf die Fragen der Kinder zu finden. Wenn die Kinder traurig sind, Trost spenden und die Trauer begleiten, z.B. gemeinsame Rituale zu gestalten.
GRIPS: Sind Rituale wichtig beim Trauern?
W. Pladeck: Ja, das sind sie. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, fällt mir sofort dieser kleine Junge ein. Seine Oma war am Morgen verstorben und wurde abends mit dem Sarg abgeholt. Die ganze Familie trug den Sarg durch das Trep penhaus zum Auto. Und dieser kleine Junge stand da mit einer brennenden Kerze und wollte seiner Oma den Weg erleuchten. Somit schritt dieser kleine Junge mutig mit brennender Kerze voran, dicht gefolgt von seiner Oma, die tot im Sarg lag, und brachte sie zum Auto.
Ich glaube, diese Momente können ganz viel mit Menschen machen. Mich berühren sie alle. Denn wenn Menschen etwas in Liebe und Erinnerung an jemanden tun und diesem Tun Bedeutung zuschreiben, dann hat das eine große Magie.