Pläne, Visionen und Herausforderungen für die Zukunft
Am 1. September 2025 übernehmen Natalie Driemeyer, Winfried Tobias, Jutta Brinkschulte und Thomas Keller als Team die Leitung des GRIPS Theaters. Wir haben mit ihnen u.a. über ihre Herausforderungen, Pläne und Visionen gesprochen. Heraus kam ein Gespräch über die sich verändernde politische Situation, über das „Jetzt erst recht!“, über die dringendsten Aufgaben und über das, was GRIPS ihrer Meinung ausmacht und was die Stärke des Hauses ist. Aber auch ein Gespräch darüber über eine Vision für das GRIPS.
Das Gespräch führte Anja Kraus (u.a. Blogredaktion)
Was ist 2025 typisch fürs GRIPS?

Natalie Driemeyer: Ich habe das GRIPS als ein Haus wahrgenommen, in dem ohne Angst vor Risiken genau das produziert wird, was man wirklich auf der Bühne erzählen will. Gesellschaftsrelevante Themen, in denen sich die Menschen widerspiegeln. In den Vorstellungen fand ich immer spannend, wie sehr die Kinder und Jugendlichen hier reagieren und interagieren. Die Theaterbesuche berühren. Auch, dass das GRIPS wirklich ein Theater für alle ist, finde ich relevant, allein durch die vielen Vorstellungen mit den Schulklassen. Das GRIPS ist zudem in der Stadt verwurzelt, das erlebe ich immer dann, wenn ich von meinem neuen Theaterarbeitsort erzähle und die Berliner*innen mit großer Freude sagen: „Jaaa, das GRIPS, da war ich schon mit der Schule!“.
Jutta Brinkschulte: Ich bin zwar nicht mit GRIPS aufgewachsen, aber ich habe das GRIPS mit meinen Kindern kennengelernt und dabei festgestellt: GRIPS macht glücklich und zwar auch Erwachsene! Das hat mir sehr gut gefallen, wie das GRIPS daherkommt: Im besten Sinne aufmüpfig, alternativ, mit toller Qualität und viel Musik. Es ist fantastisch, was das Haus hier auf die Bretter bringt, das macht wirklich richtig glücklich.
Thomas Keller: Ich bin ja seit 1986 am Haus, sprich im Quartett der Dienstälteste, und ich stelle immer wieder fest: Das, was das GRIPS über Jahrzehnte getragen und ausgemacht hat, ist der Kernsatz, dass die Welt veränderbar ist. Und den tragen wir nicht nur nach außen, sondern der wirkt auch nach innen. Ich meine damit, wenn du hier über Jahrzehnte arbeitest, musst du diese Veränderbarkeit verinnerlicht haben und persönlich mitgehen, sonst klappt das nicht. Und das ist gut so!
GRIPS: Winfried, dich muss ich anders fragen, du hast das Haus als Dramaturg kennengelernt, aber du hattest die letzten zehn Jahre aus Aalen einen Blick von außen: Wo war das GRIPS, als du gegangen bist, und wo steht es jetzt?

Winfried Tobias: Von außen betrachtet war die Entwicklung sehr stringent: Das GRIPS als ein Haus, dass sich politisch positioniert hat, z.B. mit der intensiven Vernetzung mit NGOs und mit dem Schwerpunkten Kinderrechte, Inklusion und Partizipation mit sehr innovativen Formaten.
Auch mir ging es so bei meinen ersten GRIPS-Besuchen vor 20 Jahren, dass ich hier glücklich aus dem Haus kam, bereichert und gestärkt. Früher hat man vom Mutmachtheater gesprochen, heute eher vom Empowerment, egal wie, das ist ja nach wie vor der Auftrag des Hauses und hat sich entwickelt.
Ich bin da auch unseren Vorgängern Stefan Fischer-Fels und Philipp Harpain sehr dankbar, dass sie sich diesen Anspruch auf die Fahne geschrieben haben. Beide haben aber auch danach geforscht, wie man das diversifizieren kann, und welche zeitgemäßen und adäquaten ästhetischen Sprachen und Ausdrucksformen sich dafür finden lassen. Diese Aufgabe stellt sich uns auch.
Mit Euch findet ja nun der dritte Leitungswechsel in 14 Jahren statt. Was ist für euch die dringendste Aufgabe am Haus?

Thomas Keller: Es gibt eine rasante Veränderung im politischen Umfeld und in der Gesellschaft, das hat Folgen, und da sehe ich unser Haus gehalten, Antworten mit künstlerischen Mitteln zu formulieren.
Jutta Brinkschulte: Unsere Aufgabe ist, die Existenz des Hauses zu sichern. Wir wissen momentan nicht, ob und wie die Kürzungen uns existentiell gefährden werden. Kindertheater muss aber bezahlbar bleiben und dafür brauchen wir eine ausreichende Förderung und Unterstützung von verschiedenen Seiten.
Natalie Driemeyer: Kommunikation innerhalb des Hauses und nach außen. Theater ist Dialog und das ist eine unserer Hauptaufgaben: Vermitteln, Schwerpunkte setzen. Uns für die Demokratie und Austausch einsetzen. Das linke, aufmüpfige GRIPS hat immer Position bezogen und das werden wir auch in Zukunft machen. Mit unserem künstlerischen Profil und den Mitteln des Theaters werden wir, in alter Tradition, ansprechbar, offen und dialogfähig sein.
Winfried Tobias: Wir haben jetzt die dringende Aufgabe, weiterhin Stellung zu beziehen, da zu sein. Die Zukunft zurückzuholen, uns gegen den politischen Backlash zu wehren, denn wir sind nicht mehr automatisch die Guten. Wir dürfen uns nicht beschränken auf Rückzugsgefechte, sondern wir müssen den Raum für die Zukunft verteidigen und ausbauen. Unsere Aufgabe und Verantwortung ist, dass wir die Belange der Kinder und Jugendlichen ins Zentrum stellen.
Natalie Driemeyer: GRIPS war schon in den Gründungsjahren mit einer bisweilen reaktionären Politik konfrontiert und man hat sich aneinander abgearbeitet. Auf diesem Feld sehen wir uns heute neuen Protagonist*innen gegenüber.
Was ist eure Vision für die Zukunft des GRIPS Theaters?

Winfried Tobias: Wir legen schon in unserer ersten Spielzeit an, wofür wir auch in Zukunft stehen wollen, nämlich als ein Ort, wo Begegnung und Austausch stattfinden kann. Deshalb ist uns auch das Projekt eines Erweiterungsbaus so wichtig ist, denn den stellen wir uns als so einen Ort vor. Als einen Ort, an dem Kinder und Jugendliche sich ausprobieren und selbst erleben können, wahr- und ernstgenommen werden. Und es soll auch ein offener Ort für alle Bewohner*innen, Kulturschaffende und Akteur*innen im Hansaviertel gelten soll.
Thomas Keller: Es geht nicht nur darum, dass das GRIPS einen Erweiterungsbau braucht, sondern wir können so dafür sorgen, dass wir mit dem Haus den Stadtraum für alle weiter öffnen, dass wir mit diesem Bau das Hansaviertel als Kulturort profilieren. Mir ist es wichtig, dass wir uns als ein qualitativ hochwertiger Theaterort weiterentwickeln, in dem das Publikum sich wiederfindet und den das Publikum, was ja in der Mehrheit aus Kindern und Jugendlichen besteht, dringend braucht. Es geht auch darum, der Stadt somit etwas zurückzugeben.
Bei einem Viererteam stellt sich die Frage: Wer ist denn eigentlich das Gesicht von euch nach draußen?
Natalie Driemeyer: Wir alle. Wir werden unterschiedliche Schwerpunkte haben, allein aus unseren Arbeitsbiografien heraus, sind aber gleichwertig als Ansprechpartner*innen da. Vorstellen werden wir uns überall als Team. Je nach den Anfragen klären wir dann unter uns, wer die richtige Ansprechperson ist. Wir werden auch manchmal zu zweit oder zu dritt bei Gesprächen sein. Was am sinnvollsten ist, werden wir auf alle Fälle in der Praxis jetzt in unserer ersten gemeinsamen Spielzeit testen und entwickeln.
Wo seht ihr das GRIPS in fünf und in zehn Jahren?
Natalie Driemeyer: Immer noch da, und zwar voll da.
Jutta Brinkschulte: In zehn Jahren kurz vor der Eröffnung des Erweiterungsbaus.
Thomas Keller: Das ist ambitioniert, aber durchaus realistisch!
Winfried Tobias: Ich denke, da gehen wir alle mit!
Und was ist euer Mutmach-Mantra fürs GRIPS in diesen schwierigen Zeiten?
Jutta Brinkschulte: Theater überdauert jeden Sturm und jede Flaute.
Thomas Keller: Es geht darum, dass die klare politische Haltung und die Kunst Kraftspender für uns alle sind.
Natalie Driemeyer: Nicht aufgeben, darum geht’s. An das Gute glauben, Mut machen, sich dem Schlechten aktiv entgegenstellen, für sich und die positiven Veränderungen einstehen.
Winfried Tobias: „Du bist nicht allein“ als ein Versprechen des Theaters. Die Einladung des Theaters: „Du bist hier richtig!“.
Im Teil 2 ging das Gespräch um die gesellschaftliche Dauerkrisensituation, über eine Welt, die nicht mehr als veränderbar erscheint, über Zukünfte, die es so nicht mehr gibt, über die Auswirkungen auf die junge Generation – und wie das im Spielplan zum Tragen kommt.
Siehe Blogbeitrag „Die neue Leitung im Gespräch – Teil 2“
