Regisseur Robert Neumann im Gespräch über Volker Ludwigs zeitlosestes Kinderstück BELLA, BOSS UND BULLI, und über die Chancen und Grenzen vom Inszenieren unter Corona-Bedingungen
GRIPS: Was hat dich grundsätzlich gereizt, die Geschichte von „Bella, Boss und Bulli“ noch einmal zu erzählen?
R. N.: Für mich ist dieser Text von Volker Ludwig einer seiner zeitlosesten. Zum einen ist die Geschichte der Kinder, welche sich – aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gefügen kommend – im Verlauf des Stückes annähern, kennenlernen, während sie die Geheimnisse der anderen herausfinden, um am Ende den Wert der Freundschaft zu feiern, heute und auch in zehn Jahren erzählenswert. Zum anderen gibt es im Text angelegt die Themen Wohlstandsverwahrlosung, die Auswirkungen von Gentrifizierung und Mobbing im weitesten Sinne, die uns heute durchaus beschäftigen.
GRIPS: Wie hast du dich dem Umgang mit den GRIPS-Liedern genähert? Was war dir bei der Umsetzung wichtig?
R. N.: Über die Frage, was im Lied erzählt wird. Dem folgend versuchen wir die Stimmung der Figuren in den Liedern zu verdeutlichen. Die Noten der Songs sind notiert, da wird eine klare Richtung vorgegeben, welche wir aber heutig bearbeiten.
GRIPS: Was kann bzw. muss Theater-Arbeit in Zeiten von Corona bewirken? Gab es unter den gegebenen Voraussetzungen Inspirationen bzw. Stolpersteine für deine Arbeit an der Produktion?
R. N.: Es gab und gibt jede Menge Stolpersteine und viele Fragen. Natürlich können wir im Theater mit theatralischen Mitteln daran arbeiten, den Abstand zu überwinden: Überhöhungen helfen und formale Lösungen und choreografierte Elemente sind wunderbar, um Spannungen im Raum zu erzeugen. Aber die Momente der Nähe, wenn sich eine Figur in die Arme der anderen wirft, die Mutter die Tochter zum Trost streichelt oder der Übeltäter am Ende in den Schwitzkasten genommen wird, so etwas geht alles nicht und das fehlt.
Ich sehe in diesen Arbeiten zu Zeiten der Pandemie eine große Chance, indem wir herausfinden, was Theater noch alles kann, und das ist jede Menge, die Sehnsucht nach Nähe aber bleibt bestehen.
GRIPS: Was ist deiner Meinung nach elementar bei Theater für junges Publikum?
R. N.: Die Geschichte steht für mich im Vordergrund, was erzählen wir und kann sich unser Publikum damit identifizieren. Dann kommt aber auch schon die Frage nach dem wie, auf der Bühne können die verschiedenen Künste wunderbar ineinander übergehen, was Musik, Ausstattung, Tanz angeht. Ich möchte mit dem Team für das junge Publikum einen Ort kreieren, an welchem es Situationen erleben kann, die es vielleicht noch nicht gesehen hat, die auch Fragen aufwerfen können. Wichtig ist mir dann, sie damit nicht alleine zulassen.
GRIPS: Wie weit habt ihr in Volker Ludwigs Text eingegriffen und verändert? Ist die Sprache der Kinder von vor 25 Jahren auch noch die der heutigen? Oder ist das für ein Theaterstück egal?
R. N.: Wir haben unseren Fokus darauf gelegt, den Berliner Slang der damaligen Zeit wegzulassen, da spürt man hin und wieder das „Milljöh“, was der Geschichte heute nicht zuträglich ist. Es gab auch Anpassungen inhaltlicher Art, zum Beispiel, dass Bella mit ihrer Mutter statt in eine kleine Wohnung in der Stadt zu ziehen, nun an den Rand der Stadt zieht, was der heutigen Situation geschuldet ist.
GRIPS: Die Uraufführung 1995 hat ja GRIPS-Urgestein Thomas Ahrens inszeniert, ganz dem kabarettistischen und auf Pointen setzenden GRIPS-Stil verpflichtet – entsprechend hat Volker Ludwig das Stück auch geschrieben. Wie würdest du deine Art des Inszenierens beschreiben, auf was legst du besonders wert? Oder gibt Volker Ludwigs Art zu schreiben den Regiestil ganz einfach vor?
R. N.: Ich versuche den Text purer zu sehen, gehe mit den Nöten, Hoffnungen und Träumen der Figuren mit. Sicherlich gibt es komische Momente, aber das liegt nicht im Fokus meiner Arbeit.
Die Fragen stellen Tobias Diekmann (Dramaturgie) und Anja Kraus (PR).