Ab 26.11.25: „KUCKUCKSNEST“ für Menschen ab 10

„Als Kind psychisch kranker Eltern habe ich mich oft allein gefühlt. Ich musste erst erwachsen werden, um zu lernen, dass jedes vierte Kind in den Niederlanden mit einem Elternteil mit psychischer Erkrankung aufwächst. Und zu verstehen, dass ich mit jemandem über das, was zu Hause passiert ist, hätte sprechen können“, so Autorin Nina van Tongeren, die Autorin des Stücks »Kuckucksnest«, das am 26. November im Grips zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt werden wird. Die Zahlen sind mit denen in Deutschland vergleichbar.

In dem Stück „Kuckucksnest“ hat die Mutter von Saffa (12 J.) und Nim (9 Jahre) sehr unterschiedliche Tage, manchmal liegt sie wochenlang einer Zimmerpflanze gleich auf dem Sofa, manchmal packt sie innerlich ein Wirbelsturm. Wie heute: Laut singend sitzt sie auf dem Dach der Schule. Schenken wir Saffa Glauben, so ist ihre Mutter „nur ein klein wenig durcheinander“, „ganz einfach verrückt“ ist Nim der Meinung. So unterschiedlich beide ihre Mutter wahrnehmen, in Not sind beide. Und so vertrauen sie sich dem Publikum Schritt für Schritt an, geben tiefe Einblicke in die Liebe zu ihrer Mutter, aber auch in das, was fehlt, und das, was sie überfordert.

Nicht nur die Form, in der sich die Figuren das Publikum zu Vertrauten machen, sondern auch die geteilten Sorgen, Lebensrealitäten und Witze der Kinder, geben dem Publikum eine Sprache, die mit Tabus brechen möchte. Ursprünglich als Klassenzimmerstück geschrieben, wird Regisseurin Sabine Trötschel die Idee dieses direkten Kontakts für die Inszenierung im Podewil nutzen. 

Graphik von Bela Sobottke

Neben einer umfangreichen Materialiensammlung zum kostenlosen Download werden auch Publikums- und Fachgespräche, Fortbildungen für Lehrende u.a. als Rahmenprogramm stattfinden. Dafür kooperiert das Grips u.a. mit „Seelenerbe e.V. für Erwachsene Kinder psychisch erkrankter Eltern“, dem Jugendamt Mitte und einer Schulpsychologin. 

„Meiner Meinung nach ist es besonders wichtig, dass Kinder aus solchen Situationen lernen, dass sie nicht allein sind,“ so Nina van Tongeren. In den Niederlanden hat sie genau das mit ihrem Stück erreicht. „Ich habe hier gesehen, wie das Stück den Kindern ein Werkzeug an die Hand gegeben hat, um über die Herausforderungen und Schwierigkeiten in ihren Leben zu sprechen. Und es ist ja nicht nur ein Stück, das einen betrübt zurücklässt! Es bringt Kinder zum Lachen und es ermöglicht dadurch einen Prozess der Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensrealität, der nicht zu sehr überfordert oder konfrontiert. Ich freue mich sehr, dass das Stück ans GRIPS kommt, weil es eine wichtige Geschichte erzählt. Ich bin so gespannt darauf, wie die Kinder und Familien und ihr alle darauf reagieren werdet!“

Nina van Tongeren über ihr Stück „Kuckucksnest“

Natalie Driemeyer aus dem künstlerischen Leitungsteam zu „Kuckucksnest“

„Hier im GRIPS findet man Themen, die mit der Wirklichkeit der Kinder und Jugendlichen zu tun haben. Und diese sind mittendrin in den gesellschaftlichen Veränderungen. Die massiven existentiellen Unsicherheiten haben Folgen für die Psyche. Sowohl die der Kinder und Jugendlichen als auch vieler Erwachsenen. Das Thema Psychische Erkrankung / Gesundheit ist beispielsweise ein Aspekt unserer ersten Premiere am 26. November im Podewil, „KUCKUCKSNEST“ der niederländischen Autorin und Dramaturgin Nina von Tongeren. 

Wir wissen, dass die Jugendlichen die Welt teilweise als eine nicht mehr veränderbare wahrnehmen, Depressionen und Burnouts sind spätestens seit der Coronazeit ein riesiges Thema. Diese Generation hat keine Sicherheit, keine Wohnung, keine Rente und keine Pause. Dafür Klimawandel, Pflegekrise, Inflation, Wohnungsdruck, Leistungsdruck und ein Bildungssystem, das sie auf eine Welt vorbereitet hat, die es so längst nicht mehr gibt. Der Klimawandel ist omnipräsent, aber niemanden kümmert es, und weltweit kippen die Demokratien, sogar unsere hier so sicher geglaubte ist gefährdet! Das GRIPS ist ein Ort, an dem sie ihre Themen und Gefühle verhandelt sehen und ins Gespräch kommen können. 

In KUCKUCKSNEST ist so eine ausweglose Situation auf die Spitze getrieben, denn es ist hier die Erwachsene, die den Halt verliert, obwohl sie ihn eigentlich geben sollte: Die Mutter zweier Schwestern ist depressiv und sitzt singend auf dem Dach. Dieses Gefühl der Ausweglosigkeit ist in der Familie angesiedelt und zeigt den Umgang damit. In diesem packenden Kammerspiel begleiten wir die Schwestern Nim und Saffa, wie sie sehr unterschiedlich um ihre Mutter und umeinander kämpfen. Wir nehmen die Jugendlichen auf eine emotionale Reise mit. Das ist die Hoffnung, dass wir mit diesem Stück den Jugendlichen, auch mit den Mitteln des Humors, etwas mitgeben, um raus aus der Lethargie und der Hoffnungslosigkeit zu kommen.

Nina von Tongeren, die Autorin dieses Stücks, ist seit 2022 fest am berühmten „Toneelmakerij“, einem Theater für junges Publikum in Amsterdam. Regisseurin Sabine Trötschel hat zuletzt am GRIPS „Vier zurück“ und „Zum Glück viel Geburtstag“ inszeniert, die Vielfältigkeit ihrer inszenatorischen Mittel fanden wir für dieses anspruchsvolle Theaterstück sehr passend.“ 

Vita Nina von Tongeren

(*1999) ist eine niederländische Theaterautorin und Dramaturgin. Seit 2022 ist sie feste Dramaturgin und Hausautorin bei De Toneelmakerij, einem Theater für junges Publikum in Amsterdam. Ihr Studium an der Hochschule der Künste Utrecht (HKU) schloss Nina 2022 mit einer Arbeit zur Bedeutung aussagekräftiger Repräsentation im Theater ab. Ihr Stück KUCKUCKSNEST wurde 2024 mit dem Kaas & Kappes Preis für den besten Jugendtheatertext im deutsch-niederländischen Sprachraum ausgezeichnet. Nina schreibt und forscht zu Repräsentation, Care-Dramaturgien und der Position von marginalisierten Stimmen in der darstellenden Kunst.  

Vita Sabine Trötschel

arbeitet als Regisseurin, Schauspielerin, Festivalorganisatorin und Theaterpädagogin, oft in internationalen Zusammenhängen. Ihr Studium schloss sie an der Universität Hildesheim im Bereich Theater, Literarische Kommunikation, Bildende Kunst, Pädagogik und Psychologie ab. Spezialisierungen in Grotowskis Theater-Konzept, Gruppenimprovisationen, sowie Tanz und Bewegung. Langjährige Vorstandsarbeit für den Landesverband Freier Theater Niedersachsen (LaFT e. V.) und mehrfach in der künstlerischen Leitung der »Spurensuche« dem Arbeitstreffen der professionellen Freien Kinder und Jugendtheater in der ASSITEJ. Seit 2006 ist Sabine Teil der künstlerischen Leitung der theaterwerkstatt hannover.

Team

Regie: Sabine Trötschel 
Bühne und Kostüm: Klemens Kühn
Musik: Erik Veenstra
Dramaturgie: Henriette Festerling   
Theaterpädagogik: Friederike Dunger
Mit: Victoria Schreiber, Lara-Sophie Milagro